Das Haus der Donna: Roman (German Edition)
plaudern möchte.«
»Feigling«, murrte sie.
Miranda stellte die Kanne, die Tassen und die Untertassen sorgfältig auf das Tablett und versuchte, sich nicht darüber zu ärgern, daß Ryan wieder nach oben gegangen war und sie allein ließ. Dann straffte sie die Schultern, ergriff das Tablett und trug es zum Salon, wo ihr Vater vor dem Kamin stand und in einem kleinen, ledergebundenen Notizbuch las.
Er sieht gut aus, war alles, was sie denken konnte. Groß, aufrecht und gebräunt, mit glänzendem Haar. Als sie klein war, hatte sie immer gefunden, daß er wie jemand aus einem Märchen aussah. Nicht wie der Prinz oder ein Ritter, sondern wie ein Zauberer. So weise und würdig.
Sie hatte sich stets sehnlichst gewünscht, daß er sie liebte. Daß er sie auf seinen Schultern reiten ließ, sie auf den Schoß nahm, abends die Decke um sie herum feststeckte und ihr lustige Geschichten erzählte.
Statt dessen mußte sie sich mit seiner milden und oft abwesenden Zuneigung begnügen. Niemand hatte sie je auf seinen Schultern reiten lassen oder ihr lustige Geschichten erzählt.
Seufzend verdrängte sie ihren Kummer und trat in den Raum. »Ich habe Rodney gebeten, uns ein paar Minuten allein zu lassen«, begann sie. »Ich nehme an, du möchtest mit mir über den Einbruch sprechen.«
»Ja. Es ist sehr ärgerlich, Miranda.«
»Da hast du recht. Wir sind alle außer uns.« Sie stellte das Tablett ab, setzte sich und schenkte den Tee in die Tassen, wie man es ihr beigebracht hatte. »Die Polizei stellt intensive Nachforschungen an. Wir hoffen, die Skulptur zurückzubekommen.«
»Bis dahin sind aber die Schlagzeilen äußerst schädlich für das Institut. Deine Mutter ist genervt, und ich mußte mein Projekt in einer kritischen Phase verlassen.«
»Es gibt keinen Grund, warum du herkommen mußtest.« Mit ruhiger Hand hielt sie ihm seine Tasse entgegen. »Alles, was wir tun konnten, haben wir gemacht.«
»Offensichtlich ist unser Sicherheitssystem nicht ausreichend. Dein Bruder ist dafür verantwortlich.«
»Das ist nicht Andrews Schuld.«
»Wir haben das Institut in seine und in deine Hände gelegt«, erinnerte er sie, während er an seinem Tee nippte.
»Er macht seine Arbeit großartig. Wir haben zehn Prozent mehr Studenten, und auch die Besucherzahlen sind gestiegen. Die Qualität unserer Akquisitionen in den letzten fünf Jahren ist erstaunlich.«
Oh, es war so bitter, daß sie sich vor jenem Mann verteidigen und rechtfertigen mußte, der sich vor der Verantwortung für das Institut genauso leichtherzig gedrückt hatte wie vor der Verantwortung für seine Familie.
»Das Institut war dir doch nie wirklich wichtig.« Miranda sagte es ganz sanft, weil sie wußte, daß er nur den Vorwurf daraus hören würde. »Du hast die Feldforschung immer vorgezogen. Andrew und ich aber haben all unsere Energie hineingesteckt.«
»Und jetzt gab es den ersten Diebstahl seit mehr als einer Generation. Das dürfen wir nicht übersehen, Miranda.«
»Nein, aber die Zeit, den Schweiß und die Arbeit, die wir investiert haben, dürfen wir auch nicht übersehen.«
»Niemand stellt deinen Enthusiasmus in Frage.« Charles machte eine abwehrende Geste. »Aber wir müssen uns der Situation stellen. Und zusammen mit der negativen Presse wegen deines Fehltritts in Florenz bringt uns das in eine mißliche Lage.«
»Mein Fehltritt«, murmelte sie. Das sah ihm ähnlich, diesen Euphemismus für eine Krise zu gebrauchen. »Ich habe alles getan, was in meiner Macht stand. Alles.« Sie schluckte die Emotionen, die in ihr aufstiegen, hinunter und antwortete ihm so leidenschaftslos, wie er es erwartete. »Wenn ich die Ergebnisse des zweiten Tests sehen könnte, wäre ich imstande, meine eigenen Resultate zu analysieren und festzustellen, wo der Fehler lag.«
»Das mußt du mit deiner Mutter ausmachen. Ich kann dir nur sagen, daß sie außer sich ist. Wenn die Presse nicht verständigt worden wäre...«
»Ich habe nie mit irgendwelchen Journalisten geredet.« Miranda stand auf, weil sie ihre Erregung nicht mehr verbergen konnte. »Ich habe nie mit jemandem außerhalb des Labors über die Dunkle Lady gesprochen. Verdammt noch mal, warum sollte ich?«
Charles schwieg für einen Moment und stellte seine Teetasse ab. Er haßte Auseinandersetzungen ebenso wie Emotionen, die den glatten Ablauf einer Sache behinderten. Es war ihm klar, daß in seiner Tochter zahlreiche dieser Emotionen schlummerten, und er hatte nie verstehen können, woher sie
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