Das Haus der Donna: Roman (German Edition)
und ist dann nach Florenz gegangen. Jetzt ist sie Laborleiterin bei meiner Mutter. Sie und Andrew haben sich im Institut kennengelernt – eigentlich habe ich sie miteinander bekannt gemacht. Er hat sich auf der Stelle in sie verliebt. Sechs Monate später waren sie verheiratet.« Miranda gähnte noch einmal. Dieses Mal bemühte sie sich nicht mehr, es zu unterdrücken.
»Wie lange hat es gehalten?«
»Ein paar Jahre. Zuerst schienen sie sehr glücklich zu sein, und dann ging die Ehe auf einmal auseinander.«
»Was wollte sie? Designerkleider, Ferien in Europa, ein großes, schickes Haus?«
»Sie wollte seine Aufmerksamkeit«, murmelte Miranda und stützte ihren Kopf in die Hand. »Sie wollte, daß er nüchtern bleibt und sich auf seine Ehe konzentriert. Es ist der Fluch der Jones. Wir können es einfach nicht. Wir sind beziehungsuntauglich. Ich muß meine Augen mal ein bißchen schließen.«
»Natürlich, mach nur.«
Ryan fuhr fort, die Liste zu studieren. Bis jetzt waren es für ihn nur Namen. Aber sie würden bald viel mehr bedeuten. Bevor dies hier vorbei war, würde er die intimen Details über die Leute wissen. Kontostände. Unarten. Gewohnheiten.
Er fügte noch drei Namen hinzu: Andrew Jones, Charles Jones und Elizabeth Standford-Jones.
Er stand auf, zog ihr die Brille von der Nase und legte sie auf den Tisch neben ihr. Miranda sieht im Schlaf nicht wie ein unschuldiges junges Mädchen aus, dachte er, sondern wie eine erschöpfte Frau.
Vorsichtig nahm er die Chenilledecke von der Lehne der Chaiselongue und legte sie über sie. Er wollte sie ein oder zwei Stunden schlafen lassen, danach war sie vermutlich wieder fit.
Irgendwann würde sie die Antworten auf alle Fragen geben können, da war er ganz sicher. Sie war das Bindeglied.
Während Miranda schlief, rief er in New York an. Schließlich hatte er einen Bruder, der ein Computergenie war. Warum sollte er ihn nicht von Zeit zu Zeit in Anspruch nehmen?
»Patrick? Ich bin’s, Ryan.« Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und betrachtete Miranda. »Ich habe hier ein paar Dinge zu erledigen, unter anderem auch einen kleinen Hackerjob, für den mir die Zeit fehlt. Bist du interessiert?« Er lachte. »Ja, es zahlt sich aus.«
Kirchenglocken läuteten. Ihr Klang tönte über die roten Ziegeldächer bis hin zu den fernen Hügeln. Die Luft war warm und der Himmel strahlend blau.
Im dunklen Keller der Villa jedoch bedrängten sie die Schatten. Sie erschauerte, als sie die Treppenstufe anhob. Es war da. Sie wußte, daß es da war.
Es wartete auf sie.
Das Holz zersplitterte, als sie hineinhackte. Beeil dich, beeil dich. Sie begann zu keuchen, Schweiß rann über ihren Rücken. Und ihre Hände zitterten, als sie danach griff, es aus dem Dunkel hob und den Strahl ihrer Taschenlampe darauf richtete.
Hochgereckte Arme, üppige Brüste, eine verführerische Haarfülle. Die Bronzeskulptur glänzte, ohne die blaugrüne
Alterspatina. Sie fuhr mit den Fingern an ihr entlang, fühlte das kühle Metall.
Dann hörte sie Harfenmusik und das leise Lachen einer Frau. Die Augen der Skulptur wurden lebendig, der Bronzemund lächelte und nannte ihren Namen.
Miranda.
Erschreckt erwachte sie. Ihr Herz raste. Einen Augenblick lang hätte sie schwören können, daß sie Parfum gerochen hatte – einen starken blumigen Duft. Und immer noch hörte sie das ferne Echo der Harfenklänge.
Es war jedoch die Klingel an der Haustür, die ertönte, wiederholt und ungeduldig. Zitternd warf Miranda die Decke zurück und eilte aus dem Zimmer.
Überrascht mußte sie feststellen, daß Ryan an der offenen Haustür stand. Und auf der Schwelle entdeckte sie ihren Vater. Es traf sie wie ein Schock.
»Vater.« Sie räusperte sich und machte einen erneuten Anlauf. »Hallo! Ich wußte gar nicht, daß du nach Maine kommst.«
»Ich bin gerade erst eingetroffen.« Er war ein großer, schlanker Mann, von der Sonne gebräunt. Sein Haar war voll, dicht und glänzend wie polierter Stahl. Sein schmales Gesicht sah mit dem gepflegten Bart und dem Schnurrbart gut aus.
Seine Augen – vom gleichen tiefen Blau wie die seiner Tochter – blickten über den Rand einer Nickelbrille und musterten Ryan.
»Ich sehe, du hast Gesellschaft. Ich hoffe, ich störe nicht.«
Ryan überschaute die Situation sofort und streckte ihm die Hand entgegen. »Dr. Jones, es ist mir ein Vergnügen. Rodney J. Pettebone. Ich bin ein Geschäftspartner Ihrer Tochter – und ein Freund, hoffe ich. Ich komme gerade aus
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