Das Haus der Feuerfrau (German Edition)
unziemlich war, und als er sich so ungehemmt seiner streitsüchtigen Kraft hingab, sah und fühlte ich von Neuem, dass er ein sehr starker Mann war. Er hatte nicht nur unbeschreibliche Misshandlungen überstanden, ohne daran zugrunde zu gehen, er nahm nicht nur jede geistige Herausforderung an, er war auch durchaus bereit sich zu prügeln, wenn es sein musste. Mir ging das Herz auf vor Stolz bei dem Gedanken, dass ein solcher Mann bereit gewesen war sich mir zu unterwerfen.
Dann rief Elena plötzlich: „Feuer! Wir brauchen Feuer!“
Vermutlich hatten wir es nur dem Wohlwollen einer höheren Macht zu verdanken, dass wir in dieser Nacht nicht unser eigenes Haus in Brand steckten, so begeistert folgten wir ihrem Vorschlag. In der Küche gab es einen mächtigen 20-Liter-Topf, der vermutlich einmal zum Wäschewaschen benutzt worden war, den trugen wir in den Flur, füllten ihn mit Papier und den Kochlöffeln aus der Küche – dem einzigen Holz, das wir auf die Schnelle in die Finger bekamen – und zündeten das Papier an. Wie Penner um eine Feuertonne standen wir im roten zuckenden Schein der Flammen im Kreis um den Topf, und unsere Schatten tanzten, grotesk wie die Figuren eines javanischen Schattenspiels, an der Wand.
Ein Wutschrei scholl durch das Haus, ein Schrei, so lang und schauerlich wie der des Nâzgul in Tolkiens unsterblicher Erzählung.
Daraufhin stürzten wir nach allen Richtungen auseinander und schleppten aus der Küche und den Zimmern im Erdgeschoss alles zusammen, was rasch und leicht brennbar war, sogar zwei Stühle zerschlugen wir und warfen die Holztrümmer in die gierigen Flammen. Die Stühle waren von ehrwürdigem Alter gewesen und trocken wie Zunder, sie brannten mit einer hellen heißen Flamme, die ellenhoch aufloderte.
Das Wesen zog sich, gekrümmt und gewunden und fauchend vor Wut, in den kalten Keller zurück.
Gewiss gab es Dämonen, deren wahres Element das Feuer war, aber dieser hier war ein Geschöpf der Kälte, der Verwesung und Dunkelheit. Es konnte nur existieren, wo Trübsinn, Schwäche und Melancholie hausten, wo die Tage bleiern grau und die Nächte lang und schlaflos waren. Deshalb floh es vor dem Feuer, und wir blieben allein in der Diele zurück, sechs triumphierende Sieger.
Anfangs waren wir in der Stimmung gewesen, ums Feuer zu tanzen, aber nach einer Weile wurden wir allmählich wieder nüchtern. Die kurze Frühsommernacht ging ihrem Ende zu. Wir löschten erst das Feuer und warfen den halb durchgebrannten Topf in den Müll, dann drehten wir nach und nach alle Lampen im Haus ab. Als es dämmerte, zogen wir uns jeder in sein oder ihr Zimmer zurück, um die durchwachte Nacht wettzumachen. Ich war todmüde, aber das bewahrte mich nicht vor wahnwitzigen Träumen, in denen mich formlose dunkle Gestalten eine nächtliche Straße entlangjagten und Ungeheuer unter meinem Bett lauerten.
Angriff auf den Keller
Es wäre zu schön gewesen, wenn unser närrischer Sieg in dieser ersten Schlacht das Ende des Krieges bedeutet hätte, aber davon konnte natürlich keine Rede sein. Die Sieben, deren böse Geister den Rattenkönig bildeten, wussten, dass sie nicht mehr viel Zeit hatten, und setzten ihre ganze Kraft ein. Die beiden Zimmer im Erdgeschoss waren von da ab Tag und Nacht Schauplatz von Spukerscheinungen, und in beiden herrschte eine Atmosphäre wie in einer Gaskammer; es war kaum möglich, sie selbst am helllichten Tag zu betreten, so dick schwelte das Miasma darin.
Ich erinnere mich, dass ich eines Tages – und zwar um zehn Uhr vormittags – die Türe zu Cocos Zimmer öffnete, weil mich ein beständiges Scharren und Kratzen darin irritiert hatte, und mich ohne Vorwarnung einer riesig im Raum schwebenden, blutroten Blasphemie gegenübersah, deren Niedertracht und Bösartigkeit mir den Atem verschlug. Ich schmiss die Türe zu und rannte, und von da an konnte mich nichts mehr dazu bewegen, auch nur durch einen Spalt in der Türe zu spähen. Dasselbe war es in Roberts Zimmer. In beiden Räumen lief eine ununterbrochene Multimedia-Show der widerwärtigsten Bilder und Töne ab. Wir fanden kein anderes Mittel dagegen, als die Türen zu verrammeln und abzuwarten, ob die Arbeiten im Keller Abhilfe schaffen würden.
Robert Junkarts war in das Hinterzimmer im zweiten Stock übersiedelt, wobei er nur seinen Computer und den Drehstuhl mitgenommen hatte. Alle anderen Möbel, die er bislang benutzt hatte, wurden zur Entsorgung bestimmt. Da Alec seinerzeit das gesamte Möbelwirrwarr aus
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