Das Haus der Feuerfrau (German Edition)
wohl so klingen. Ich hatte das Gefühl, dass schon das bloße Zuhören mein Innerstes mit einer ranzigen gelblichen Fettschicht beschmierte. Alle diese Geräusche waren jedoch fern, ich hörte sie mehr im Kopf als mit den Ohren.
Dann hatte ich plötzlich eine Vision: Ich sah ganz deutlich, wenn auch nicht mit den Augen, wie eine schwarz verschleierte Frau die Kellertreppe heraufstieg. Zuerst dachte ich, das Bild möchte ein Nachhall aus Wolfram Hartmanns Zeiten sein, aber rasch wurde mir klar, dass diese Frau keine Trauernde war. Eine von Edward Goreys bösartig-witzige Federzeichnungen fiel mir ein:
A lady born under a curse
Used to drive forth each day in a hearse
And there she would wail
Under thickness of veil:
„Things do not get better, but worse!“
Es war grotesk, aber so, wie ich Goreys Gedichte absolut nicht erheiternd fand, sondern morbid und pervers, fand ich auch diesen Schatten einer Frau, die unter einem Fluch geboren war, gefährlich und krankhaft. Ich fühlte ihr leises, mattes Dahinschlurfen, roch den schweren Duft von Heliotrop, der ihren Kleidern entströmte, und wusste, dass dieser schwüle Duft einen anderen Geruch überdecken sollte ... den Pestgeruch, den von ihr ausdünstete. Eine süße, aber grauenhaft verderbliche Musik umschwebte sie, eine Musik, die schillerte und bebte und in einem grünlichen Licht zu phosphoreszieren schien. Mein Herz begann immer schneller zu klopfen, je näher sie uns kam.
Mir blieb keine Zeit, die anderen zu fragen, ob sie ebenfalls etwas bemerkt hatte. Erst hob Terry den Kopf und witterte in den Wind, dann setzte Robert Junkarts sich sehr aufrecht hin, ballte die Fäuste und richtete den durchdringenden Blick auf die Türe. Alec, Elena und Coco spürten ebenfalls, dass etwas Böses an uns heranglitt.
Dann sprang Robert plötzlich auf. Mit zwei Schritten war er bei der Türe, riss sie auf und stürmte in den von Zwielicht erhellten Gang hinaus. Mir blieb beinahe das Herz stehen, als er sich so dem Feind entgegenwarf, und ich bewunderte ihn zutiefst für seine Tapferkeit. Er tat das einzig Richtige, fuhr es mir durch den Kopf. Wir mussten uns dem Wesen entgegenstellen, wir durften hier nicht sitzen und warten, bis es Kraft genug hatte, uns in unserem Bunker zu attackieren! Anscheinend ging es meinen Gefährten genauso, denn die jungen Leute verließen ebenfalls ihre Plätze und drängelten hinter Junkarts her wie Schafe hinter ihrem Leithammel, und Alec stemmte sich mühselig von seinem Stuhl hoch.
Der Flur war leer, soweit wir mit leiblichen Augen etwas erkennen konnte, aber wir spürten das Wesen. Mitten in der trüben Helligkeit schwebte ein schillerndes Oval wie ein Ölfleck auf Wasser. Es bewegte sich auf und ab, hin und her, während die Schlieren in seinem Inneren durcheinanderrannen und seltsame, widerwärtige Fratzen formten. Ich empfand einen ungeheuren Ekel davor. Mir schien, dass alles, was von dieser Substanz berührt wurde, augenblicklich verwesen musste.
Allmählich wurde das Phänomen deutlicher sichtbar, und ich erkannte verblüfft, dass sich in der eiförmigen Außenhaut eine Gestalt bildete, die mich an kitschige Gipsstatuen der Heiligen Jungfrau von Lourdes erinnerte. Der weiße Schleier, das blaue Kleid, das liebliche, entrückte Gesicht, alles war da. Doch die Ausstrahlung dieser Erscheinung war zutiefst böse. Ich fühlte mich wieder den Gedanken ausgesetzt, die in meiner ersten Nacht im Totenhaus auf mich eingedrungen waren, diesen perversen Gedanken, die jetzt doppelt scheußlich waren, weil sie von einem Symbol der Reinheit und Liebe auf mich zuströmten. Ich sah an den Gesichtern meiner Gefährten, dass sie etwas Ähnliches empfanden, aber wenn die Gedanken, die das Spukbild in ihnen wachrief, den meinen glichen, dann würden sie sich gewiss hüten, mir davon zu erzählen. Jeder Mensch trägt eine Kloake in sich, und aus dieser üblen Finsternis, an der nie jemand anderer teilhaben würde, kein Priester, kein Psychiater und kein Geliebter, stammten die Bilder und Träume, die gegen mich anstürmten.
Robert Junkarts war sehr blass geworden, so blass, dass ich die winzigen orangen Sommersprossen auf seinem Nasenrücken sah, aber er rückte mit wütender Entschlossenheit Schritt um Schritt vor, anscheinend entschlossen, mit bloßen Fäusten auf den Spuk loszugehen, denn andere Waffe hatte er keine bei sich. Und sieh an! Das Ding war längst nicht so mutig, wie es hässlich war. Es wich vor ihm zurück!
Alec schwang seinen
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