Das Haus der Feuerfrau (German Edition)
aller bürgerlichen Tugenden war; er flocht wiederholt die Bemerkung ein, dass ein so angesehener Mann und Vertreter des Gesetzes sicher nicht nachvollziehen könnte, was im Herzen eines verrückten und perversen Menschen – wie er sich selber sah – vorging. Der einzige Milderungsgrund, den er für sich vorzubringen wagte, waren seine grauenhaften Erlebnisse, die ihn zerrüttet hatten, und die lange Einsamkeit in dem Spukhaus, in der seine Träume und Fantasien angefangen hatten, wüste und verderbliche Blüten zu treiben.
„Ich sage das nicht zu meiner Entschuldigung“, erklärte er, „sondern nur, weil ich selbst schon nach einer Ursache geforscht habe, wie ich mich so verändern konnte. Es muss wohl doch so sein, dass ich unter dem Druck dieser Erlebnisse den Verstand verloren habe – wenn auch nicht meinen rationalen Verstand, so doch meine moralischen Fähigkeiten. Sie müssen mir glauben, ich war zeitlebens ein völlig normaler Mann.“
Mit dieser Eröffnung stürzte er sich in ein eifriges Plädoyer. Ich lernte wieder etwas, als ich ihm zuhörte. In meiner (zugegeben etwas naiven) Weltsicht waren Verbrecher narbengesichtige Gorillas von der Art, wie sie in alten Edgar-Wallace-Filmen vorkamen; ich konnte mir schwer vorstellen, wie ein Mann, der vom Betrug – und der gemeinsten Sorte von Betrug – lebte, gleichzeitig großen Wert darauf legen konnte, dass sein Sexualleben den strengsten bürgerlichen Normen entsprach. Aber so war Robert Junkarts, ein typischer
white collar criminal
, nun einmal gewesen. Wenn er inmitten seiner hektischen Geldmacherei überhaupt Zeit und Interesse für Sex aufbrachte, dann war es Freitag-Abend-Sex mit seiner eigenen Frau. Er hatte sie, wie er sagte, zu sehr geliebt, als dass er sie jemals betrogen hätte. Ich sah keinen Grund, ihm diese Liebe nicht zu glauben, aber ich dachte doch auch, dass er – ein triebschwacher, unsicherer und ängstlich auf seine Führungsrolle bedachter Mann – sich bei seiner vertrauten, unterwürfigen Ehefrau wohler gefühlt hatte als bei einer Fremden, die unerwartete Anforderungen an ihn stellen mochte.
„Gewiss“, gab er zu, „habe ich mir wie alle Männer hin und wieder ein pornografisches Magazin angesehen, aber diese Dinge waren für mich Sciencefiction. Sie waren einfach Lichtjahre von meiner eigenen Welt entfernt. Ich hatte gar nicht das Bedürfnis, irgendetwas davon je auszuprobieren, am allerwenigstens irgendwelche ... abwegigen Praktiken.“ Er stolperte merklich über das Wort.
„Aber das änderte sich dann später?“, hakte Alec nach.
„Ja.“ Er streckte die Hand nach der Weinflasche aus. „Darf ich noch einmal?“
„Aber natürlich, soviel Sie wollen. – Das war, nachdem Sie hier einzogen?“
„Ja. Ich hatte zuerst gedacht, das Thema Sex sei für mich Vergangenheit. Aber je länger ich hier wohnte, desto deutlicher fühlte ich, wie ich auflebte. Mir wurde mein Körper ganz neu bewusst. Ich wachte morgens mit einer Erektion auf. Ich fing an, feuchte Träume zu haben. Allmählich wurde ich in einem Ausmaß aktiv und interessiert, wie ich es als 20-Jähriger nicht gewesen war. Aber meine Bedürfnisse hatten sich verändert.“
Eine Weile saß er mit gesenktem Kopf da, dann sprach er weiter. „Alles, woran ich denken konnte, waren meine Verletzungen. Ich fühlte jede einzelne davon. Sie waren ein ständiger Schmerz ... aber zugleich waren sie zu meinen erogenen Zonen geworden. Ich konnte mir nichts anderes mehr unter Sex vorstellen, als dass eine Frau mich an diesen Stellen berührte. Der bloße Gedanke daran versetzte mich in eine Erregung, dass ich kaum wusste, wie ich mich wieder beruhigen sollte. Ich konnte es an Selbstbefriedigung bald mit jedem Gymnasiasten aufnehmen.“
Das weiße Pulver hatte mich, wie es seine Art war, in eine lustige und etwas abenteuerliche Laune versetzt, und so lachte ich, als er das hören ließ. Alec lächelte ebenfalls. Robert Junkarts hob mit einer hilflosen und verwirrten Geste die Hände. „Sie lachen ... es war ja auch zum Lachen. Es war grotesk. Auf der einen Seite genoss ich es ... welcher Mann hätte es denn nicht genossen, mit über fünfzig plötzlich wieder potent wie ein Junger zu sein? Auf der anderen Seite aber war es mir unheimlich. Ich fühlte mich Kräften und Mächten ausgeliefert, von denen ich nicht anders denken konnte, als dass sie dunkel und dämonisch sein mussten. Sex war mir nie so recht geheuer gewesen, und nun auch noch das ... Ich hegte ernsthaft den
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