Das Haus der Feuerfrau (German Edition)
Wagen und brausten davon.“
Alec konnte den Rechtsanwalt in sich nicht länger zügeln. „Warum hast du nie eine Aussage gemacht? Um Isabella zu schützen?“
Robert nickte wortlos.
„Liebst du sie so sehr?“
„Ich weiß nicht, ob ich sie noch liebe, aber ich kann sie auch nicht hassen. Sooft ich an sie denke, sehe ich vor mir, wie sie mir das Glas hinhielt: ‚Hier, Daddy, auf die guten Geschäfte.‘ Wenn sie mich verraten hat, wenn sie imstande war, meine Ermordung zu planen, dann doch nur, weil ich ihr das beigebracht habe ... Wenn Isabella ein Monster ist, dann habe ich dieses Monster geschaffen. Wer denn sonst? Ich habe ihr vorgelebt, dass Geld alles rechtfertigt. Ich habe mich lustig gemacht über die armen Teufel, die mein Büro belagerten und mir drohten, sie würden sich meinetwegen aufhängen. Sollten sie doch! In meiner Welt gab es nur Gewinner und Verlierer. Und irgendwie ... war es dann so ganz folgerichtig, dass eines Tages ich selber zu den Verlierern gehörte.“
Er hatte immer langsamer und mühsamer gesprochen, aber nun hob er den Kopf und sah erst mich, dann Alec mit einem leuchtenden Blick an. „Am Anfang habe ich nicht einmal begriffen, dass es eine Strafe war. In meinem Denken gab es keine Begriffe wie gut oder böse. Man war oben oder unten, drinnen oder draußen. Ich war nicht schlau genug gewesen, deshalb putzte ich jetzt die Latrine in diesem Verlies. Erst sehr viel später lernte ich, dass es einen Gott gibt und dass er zuweilen die Hand hebt, um meinesgleichen zu züchtigen. – Auf jeden Fall möchte ich nicht, dass die Polizei sich in meine Angelegenheiten einmischt. Ich habe euch davon erzählt, aber niemand anderem, und ich würde nie eine Aussage vor Gericht machen. Ich bitte euch, dass ihr mir in dieser Hinsicht meinen Willen lasst.“
Alec hob beide Hände. „Meiner Meinung nach machst du einen gravierenden Fehler, aber wir reden dir da nicht drein. Tu, was du für richtig hältst.“
Das Kellergewächs
Wir waren noch wach, als um sieben Uhr morgens Jan Pika und seine wackere Schar am Gartentor eintrafen. Wenig später widerhallte das Haus von dröhnender Radiomusik und lärmenden Zurufen. Die beiden Punks und Coco wurden von dem Krach aufgeweckt und kamen, ungewaschen und verschlafene Augen reibend, die Treppe herabgeklettert. Wir standen alle in der Diele und beobachteten die Männer, die jetzt – wahrscheinlich, weil sie selbst neugierig waren – mit verdoppelter Energie ans Werk gingen.
Die Polsterhölzer wurden abgenommen, die Sand- und Schotterschicht darunter verließ auf Schubkarren das Haus und wurde draußen auf einen Container geladen. Schon sehr bald kam ein Gewölbe aus Ziegelsteinen zum Vorschein und mit ihm der widerliche Geruch, der uns am Vortag aus dem Keller vertrieben hatte.
„Wos is dos Zeig?“, rief Jan Pika fassungslos, als das Brecheisen in eine bröckelnde, puddingartige Masse stieß, in der sich die morschen Überreste von Backsteinen mit einem grau-weißen Pilzkuchen mischten. Der Gestank wurde binnen kürzester Zeit so unerträglich, dass Alec die beiden am Vortag gekauften Standventilatoren in der Diele aufstellen ließ. Beide Fenster des Zimmers wurden geöffnet, ebenso die Vorder- und Hintertüre, aber alles zusammen reichte gerade aus, dass niemand in Ohnmacht fiel. Der Dunst war süßlich und stickig zugleich, und es war eindeutig ein organischer Geruch. Ich hatte zwar keine Ahnung, wie ein Organismus, und sei es ein so einfacher wie ein Pilz, in einem Jahrzehnte lang versiegelten Raum überleben konnte, aber so war es. Die Ziegel des Kellergewölbes und, als diese abgetragen waren, die Erdmassen der Füllung darunter waren durchsetzt und durchwuchert von einem weichen, fahlweißen, stinkenden Schwamm, der nach allen Richtungen lange Tentakel ausstreckte – Tentakel, die eine unbehagliche Ähnlichkeit mit leichenhaften menschlichen Armen und Händen hatten.
Pika kam aus dem Kopfschütteln nicht heraus und erzählte uns ein ums andere Mal, dass er so etwas noch nie gesehen hätte, obwohl er seit Jahren in alten Häusern arbeitete. Er meldete sogar Bedenken an, ob wir es auf den Container laden dürften. „Vielleicht ist giftig“, hielt er uns vor. „Muss geprieft werden.“
Da meldete ich mich mit dem Vorschlag, es im Hintergarten zu verbrennen. Holz hatten wir ja genug, denn die Bodenbretter wollten wir nach dieser Entdeckung auch nicht wieder verwenden. Ich machte den Vorschlag vor allem deshalb, weil ich mich aus der
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