Das Haus der Feuerfrau (German Edition)
zu schlagen. Wahrscheinlich dachten sie, ich wäre auf Drogen oder übergeschnappt, jedenfalls versuchte der neben mir mich fest zu halten, damit ich wenigstens den Fahrer nicht attackierte. Gerade da kamen wir an eine Stelle, wo sich neben der Straße ein Stück Grasland hinzog. Ich riss die Türe auf und sprang aus dem Wagen. Es war wie in einem Albtraum ... ich wollte rennen, aber vor Angst und Aufregung verließen mich die Kräfte, und nach ein paar Metern fiel ich hin und konnte nicht wieder aufstehen. Ich war so fertig, dass ich einfach im Gras lag und weinte.
Die beiden Männer hielten ihren Wagen an und stiegen aus. Sie kauerten rechts und links von mir auf der Erde und redeten mir gut zu, dass ich hier nicht bleiben könnte, und dass sie mich in die Stadt bringen würden ... Irgendwie überredeten sie mich dann dazu, dass ich wieder in den Wagen einstieg. Ich glaube, ich tat es einfach deswegen, weil ich keine Kraft mehr hatte. Damals wurde mir klar, warum Frauen oft solche Angst haben, allein unterwegs zu sein oder mit einem Fremden allein im Autobus zu sitzen. Ich war überzeugt, dass das Schlimmste, was ich mir jemals ausgemalt hatte, jetzt geschehen würde. Aber die Männer brachten mich wirklich zum Busbahnhof bei der Alten Eisfabrik, sie kauften mir sogar noch beim Drive-In eine Tüte mit Fritten und Hähnchenflügeln und Cola, und der eine gab mir Geld und riet mir, ich sollte mir einen Schnaps zur Beruhigung kaufen! Ich war nie ein Trinker, aber damals kippte ich einen Doppelten runter wie Wasser. Es dauerte trotzdem noch ziemlich lang, bis ich zu zittern aufhörte.“
„Ich verstehe“, sagte Alec leise.
Eine eigentümliche Stimmung breitete sich im Zimmer aus, während wir da beisammensaßen und das Schwarz der Nacht langsam zu Dunkelblau verblich. Wir begegneten einander auf eine Weise, als wären wir seit Jahrzehnten die engsten Freunde gewesen. Ich merkte, wie die Spannungen und Vorbehalte zwischen den beiden Männern dahinschmolzen. Sie begannen einander zu vertrauen und einander wertzuschätzen. Robert begriff, dass Alec seinen Wunsch, nicht berührt zu werden, jederzeit respektieren würde (tatsächlich verzichtete Alec von da an sogar auf solche unter Männern üblichen Körperkontakte wie ein Schulterklopfen, er gab ihm auch nie die Hand, wenn sie einander begrüßten oder verabschiedeten, sondern nickte ihm nur zu). Alec wiederum musste zugeben, das Robert ein Mann von außergewöhnlichem persönlichem Format war, ein Mann, der ihm durchaus ebenbürtig war, so unterschiedlich ihre Lebensumstände und ihre sexuellen Rollen auch sein mochten. Sie waren beide eine Nummer größer als der Mann von der Straße, und als ihnen das erst einmal so richtig klar geworden war, hatten sie keine Schwierigkeiten mehr, aufeinander zuzugehen.
Es wunderte mich nicht, dass Robert Junkarts in dieser Atmosphäre die Kraft fand, von seiner Tochter zu sprechen. In einem überraschend leidenschaftslosen Ton bekannte er: „Ich glaube heute, dass Isabella diejenige war, die die Idee hatte, mir erst eine Generalvollmacht abzupressen und mich dann zu ermorden. Sie war es jedenfalls, die mir einen mit KO-Tropfen vergifteten Drink servierte, zusammen mit einem Judaskuss. ‚Hier, Daddy, auf die guten Geschäfte.‘ Die Ironie in dieser Bemerkung habe ich erst viel später verstanden ...“
„Wie kam es eigentlich, dass du überlebt hast?“, fragte ich. „Sie haben dich doch wohl nicht freiwillig gehen lassen, oder?“
„Nein, selbstverständlich nicht. Heute denke ich, was mir das Leben gerettet hat, war ein Wunder Gottes, anders kann ich es mir nicht erklären ... Nik hätte hundert Mal Gelegenheit gehabt, mir eine Kugel in den Kopf zu schießen oder mich einfach zu erschlagen, aber er wollte mir einen besonderen Abgang bereiten. Er wollte mich bis zu meinem letzten Atemzug demütigen. Ich sollte verrecken wie eine Ratte. Deshalb befahl er seinen beiden Kerlen, sie sollten mich in die Halden hinausfahren und dort in ein ‚Loch‘ werfen. Ihr kennt wahrscheinlich die tiefen Schächte, die man weit draußen auf den Mülldeponien findet. Er wollte die Befriedigung haben, dass ich in einer solchen von Fäulnis brodelnden Grube langsam verhungerte und verdurstete und an meinen Wunden zugrunde ging ... Der Rest ist schnell erzählt. Wir stießen auf einen Streifenwagen, der aus irgendeinem Grund an diesem entlegenen Ort unterwegs war, und die beiden Gangster gerieten in Panik, sie warfen mich einfach aus dem
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