Das Haus der Feuerfrau (German Edition)
Luft als sehr kurzlebig: Wir konnten zusehen, wie sie schrumpfte und vertrocknete. Es dauerte knapp eine Viertelstunde, bis dieser gräuliche Lebenssaft des Riesenpilzes völlig zu Staub verdorrt war. Danach reinigten die beiden Ventilatoren die Luft wieder und die Arbeit konnte ungestört weitergehen.
Wir entdeckten auch bald, dass der Pilz Wurzeln geschlagen hatten, die sich unterhalb des Küchenbodens fortsetzten. Dieser Boden bestand aus einer Schicht Ziegel und darunter, wie das probeweise Aufhacken ergab, einer Lage massiver Steinplatten. Pika stieß einen ellenlangen Fluch aus. „Dos wird Orbeit!“, rief er.
Aber Alec war jetzt wütend entschlossen, die Grabung zu Ende zu bringen; er bot dem Vorarbeiter eine Menge Geld, wenn er für die Nacht eine zweite Partie Arbeiter aufstellen könnte, und als Pika nach einigem Verhandeln zusagte, schickte er in den nächsten Baumarkt um starke Lampen. Ich hatte den Eindruck, dass er anfing, das Pilzgewächs als seinen persönlichen Feind zu betrachten, und es wunderte mich nicht. Das Ding war nicht nur viel mehr menschlich als pflanzlich, es strömte auch eine derartige Bosheit und Niedertracht aus, dass ich es ebenfalls nicht erwarten konnte, es unschädlich zu machen.
Das Einzige, wovor mir graute, war die neuerliche schlaflose Nacht, aber da wusste Robert Rat. „Coco hat eine Schublade voll Zeug, das sie nimmt, wenn ihr die Nachtarbeit zu lang wird“, verriet er mir. „Warte, ich hole uns ein paar Stück davon.“
Wenig später kam er mit einer Hand voll rosa Pillen zurück. „Et voilà!“, lachte er, während er eine der Aufputschtabletten schluckte und mir eine zweite zwischen die Lippen steckte. „Die Jungen werden sich wundern, wie locker wir durchhalten.“
„Ja, eine Nacht lang, und die Tage darauf fühlen wir uns dann wie Ramses III – dreitausend Jahre alt. Gib Alec auch eine, aber lass dich nicht von den Polizisten erwischen.“
Ich hatte keine Ahnung, wann die Leute in der Larabayastraße für gewöhnlich schlafen gingen, aber in dieser Nacht standen sie um Mitternacht noch an unserer Gartenhecke und gafften. Die beiden starken Scheinwerfer, die in den Keller leuchteten, sorgten genauso für ein unheimliches und dramatisches Bühnenbild wie das Feuer, das jetzt im Hintergarten glühte wie die Waberlohe im „Ring des Nibelungen“. Außerdem parkten zwei Funkwagen vor unserer Türe, denn Kommissar Brandsteidl war nicht sicher gewesen, ob wir nicht noch etwas ausgraben würden, und hatte vier Polizisten teils zu unserem Schutz, teils zu unserer Beaufsichtigung abgestellt. Den sommersprossigen Beamten hatte ein Kollege abgelöst, ein o-beiniger älterer Mann, der am Kellereingang lehnte und ständig die gefalteten Hände über Nase und Mund deckte, um den Gestank abzuwehren.
Pika hatte sich selbst übertroffen und ein Dutzend kräftige Männer aufgetrieben, die an allen Ecken und Enden zugleich am Werk waren. Sie rissen die restliche Kachelwand nieder, schaufelten Erde, schleppten Eimer zum Feuer und wuchteten die schweren Platten unter dem Ziegelfußboden hoch. Sobald die erste Platte gekippt und weggezerrt wurde, sahen wir, dass sich das Pilzgeflecht darunter ausgebreitet hatte. Tausende feiner Würzelchen verschlangen sich zu einem unentwirrbaren Netz ineinander. Ein würgender Gestank stieg von dort unten hoch.
Der Pilz vertrug jedoch das starke künstliche Licht kaum besser als den Sonnenschein. Einmal bloß gelegt, schrumpelte das Geflecht vor unseren Augen, trocknete ein und zerfiel stellenweise zu einem schmierigen weißen Staub. Auch die restlichen Teile des Strunks und die Arme zeigten deutliche Anzeichen von Verfall.
„Du magst kein Licht, was?“, höhnte Alec und stieß mit seinem Stock nach dem Unding. Es reagierte mit einem neuerlichen schwachen, bösartigen Zucken. „Warte, dir wird gleich noch heißer werden!“ Er gab den Arbeitern den Auftrag, die Lampen so zu drehen, dass sie alle aus kurzer Distanz den Pilz anleuchteten und ihn, da sie eine beträchtliche Wärme abstrahlten, zugleich auch erhitzten.
Die ganze Nacht hindurch wurde gearbeitet, während wir teils mithalfen, teils untätig danebenstanden und zu begreifen versuchten, was hier vorging. Immer mehr Pilz verschwand im Feuer. Die Küche war beinahe zur Gänze ausgeschaufelt, ohne dass wir weitere menschliche Überreste gefunden hätten. Die Spaten und Hacken förderten nur noch zerbrochene und halb verfaulte Möbel, Geschirr und kleine Gegenstände zutage. Die
Weitere Kostenlose Bücher