Das Haus der Feuerfrau (German Edition)
bereichert hatte. Den Blick niedergeschlagen, streckte er mir diese erbärmliche blaue Blechschüssel hin. „Ich möchte, dass du mir mein Essen da hineingibst, Charmion.“
Ich zögerte und wagte die Bemerkung: „Du bist sehr hart mit dir selber. Willst du das wirklich tun?“
Er warf den Kopf hoch, Wut flammte in seinen braunen Augen auf – die Wut eines Junkie, der sich um seinen Schuss geprellt fühlt. Seine brennenden Augen und nervösen, fast grimassierenden Mundbewegungen verrieten, welche Gier in ihm tobte. „Bitte!“, stieß er hervor, aber es klang überhaupt nicht wie eine Bitte, eher wie eine letzte Warnung.
Ich zuckte die Achseln und leerte die Hälfte des Grießschmarrns in die Schüssel – und da mich seine fordernde Art ärgerte, tat ich es mit den Worten: „Da, und jetzt verschwinde in deinen Winkel und friss.“
Er gehorchte ohne ein weiteres Wort. Mit gesenktem Kopf schlich er in einen Winkel der Küche, kauerte sich dort auf dem Boden zusammen und begann mit fettigen Fingern die flauschigen goldbraunen Brocken aus der Schüssel zu fischen. Ich sah, wie ihm jeder Bissen im Mund quoll, aber er würgte sie einen nach dem anderen hinunter.
Dann fiel mir auf, dass die geheimnisvolle Chemie, die sonst jeden Schmerz in Lust verwandelte, diesmal nicht so recht funktionierte. Vielleicht hatte einer von uns etwas falsch gemacht. Vielleicht lag es daran, dass er aus meinen Worten echten Zorn herausgehört hatte, Zorn über die Art, wie er mich an die Wand drückte und mit barschem Hochmut forderte, dass ich seinen Wünschen gehorchte. Vielleicht waren einfach die Zeit, der Ort und die Stellung der Sternbilder nicht richtig – das konnte man nie so genau sagen. Jedenfalls quälte er sich, gleichzeitig erregt und verdrossen, und mit jedem Bissen wurde die Scham über dieses Misslingen heißer und schmerzlicher. Ich sah es kommen, dass er die Blechschüssel quer durch die Küche schleudern und vor Wut brüllen würde, und danach würde er vollkommen fertig sein, weil er es nicht geschafft hatte, wie ein schlechter Liebhaber, der endlos an sich herumfummelt und keinen erlösenden Höhepunkt findet ... und dazu wollte ich es nicht kommen lassen.
Ich stand auf und ging quer durch die Küche zu ihm hinüber, kauerte mich neben ihm auf den Boden. Einen Arm legte ich um seine Schulter, zog ihn eng an mich, und mit der anderen Hand griff ich in die Schüssel und fütterte ihm einen der Brocken. In seinem Körper tobte ein Aufruhr, der jeden Muskeln erschütterte, die Haut war fieberheiß und schweißfeucht. Einen Moment lang wehrte er sich, presste die Lippen zusammen und wich zurück, aber dann stieß er einen leisen, qualvollen Laut aus, schloss die Augen, nahm den Bissen an und kaute und schluckte. Und als er erst einmal nachgegeben hatte, lief alles wie von selbst. Ich fütterte ihm die ganze Schüssel bis zur letzten Rosine und spürte, wie die Wut aus seinem Körper wich und eine schmerzliche Lust an ihre Stelle trat. Als ich die leere Schüssel wegstellte, schlang mein Freund die Arme um meinen Hals und presste die Wange an meine, und so lagen wir zusammen in einem Winkel der sonnenerhellten Küche, bis die Spannung in seinem Körper sich in einem heftig pulsierenden Höhepunkt löste.
Nachher – als wir einträchtig das Geschirr abwuschen – bemerkte Robert: „Wenn irgendjemand uns jetzt erlebt hätte, Charmion, dann hätten sie Nik recht gegeben und mich in die Klapsmühle gesteckt. Was meinst du, sind wir beide verrückt?“
„Vielleicht“, gab ich zu. „Aber geht das irgendjemanden außer uns etwas an?“
Wandlungen
Am 10. August war der letzte Handwerker mit seiner Arbeit fertig. Das Haus war nicht wiederzuerkennen. Durch die vielen neuen Fenster wirkte es luftig und offen und bekam von morgens bis abends Sonne. Es war – vorderhand nur innen, die Außenfassade wollte Alec später in Angriff nehmen – von Kopf bis Fuß in neuen Farben getüncht werden, freundlichen Anilinfarben, die gleichermaßen gut zu Alecs Stilmöbeln wie zu meinen viel einfacheren Möbeln passten. Auch der Garten gedieh. Die beiden Männer hatten vereinbart, dass Robert keine Miete zahlen musste, wenn er sich um den Garten kümmerte. Alec wollte nie den Eindruck entstehen lassen, dass er irgendjemanden ausnutzte. Und Robert Junkarts ließ alles liegen und stehen und arbeitete von Sonnenaufgang bis zum Einbruch der Nacht an seinen Beeten. Von da ab zeigte er uns auch wieder seine despotische Seite; er machte
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