Das Haus der Feuerfrau (German Edition)
noch die Frage, ob es überhaupt ein Geheimnis zu entdecken gab, oder ob diese bauliche Veränderung nur ein Spleen der Hausbesitzer gewesen war.
Die beiden Magier sahen sich sehr gründlich um, sogar im Dachboden – der ihren Besuch in hinterhältiger Unschuld über sich ergehen ließ. Sie brachten alle ihre Geräte mit und kletterten eine Stunde lang hin und her über die Sparren, während Robert Junkarts und ich auf einem der Querbalken saßen, die kniehoch über dem Boden verliefen, und ihnen zusahen.
Robert erzählte mir, dass das unglückliche Dienstmädchen, das Amelie Schwertsak zu Tode geprügelt hatte, hier oben auf dem Dachboden gestorben war, wo die gnadenlose Herrin es nach den Misshandlungen zur Strafe eingesperrt hatte. Seltsamerweise hatte man nie etwas davon bemerkt, dass dieses Dienstmädchen spukte, also hatte es wohl seinen ewigen Frieden gefunden. Aber Amelie Schwertsaks Geist blieb an das Haus gefesselt, in dem sie zu ihren Lebzeiten ein so grausames Regiment geführt hatte.
„Es ist eigenartig“, erklärte Junkarts, „aber in der Geschichte dieses Hauses kehren vor allem drei Laster immer wieder: Geldgier, Grausamkeit und eine – wie soll ich das sagen? – psychische Impotenz, eine Unfähigkeit, das eigene Leben in die Hand zu nehmen und zu gestalten.“ Er fuhr sich übers Haar, grub die Finger in die orangeroten Strähnen und stocherte darin herum, ehe er – wie jemand, der sich bei einem Tick ertappt – die Hand zurückzog. „Und manchmal berührt es mich eigenartig, dass ich selber ja ein geldgieriger Mensch war, sicher nicht weniger als der Wucherer Joseph Schwertsak, und dass die Kinder so träge sind, so unwillig, irgendetwas aus ihrem Leben zu machen. Sie leben wie die Lilien auf dem Felde – oder eher, wie die Lilien auf einem Grab. Wenn sie sich nicht zusammenreißen, werden sie alle ein schlimmes Ende nehmen.“
Das war eine überraschende Wendung. „Meinen Sie damit, dass wir sechs zu dem Haus passen müssen? Aber geldgierig bin ich gewiss nicht, im Gegenteil, ich bin da eher zu leichtsinnig. Und eigentlich bin ich auch recht dynamisch.“
Robert Junkarts warf mir einen scharfen Seitenblick zu. „Dann sind Sie vielleicht grausam“, bemerkte er in einem Ton, der klar machte, dass er damit keine Beleidigung meinte, sondern eine nüchterne Feststellung traf.
Ich lachte unbehaglich. „Sie meinen, weil ich Horrorgeschichten schreibe?“
Er schüttelte den Kopf. „Nein, nicht deswegen. Als Sie so in mein Zimmer hereingeplatzt sind, da habe ich gespürt, wie Sie mich ansahen. Ohne Brille sehe ich nur verschwommen, ich konnte also Ihr Gesicht nicht erkennen, aber ich habe Ihre Blicke gefühlt. Und wie ich sie gefühlt habe! Es war, als steckten Pfeile in meinem Fleisch!“ Er hatte die Stimme gedämpft, damit die Magier in ihrem Winkel nicht mithören sollten, aber sie bebte vor Erregung, und er atmete rasch und laut. „Ich fühlte mich zutiefst erniedrigt. Und doch waren Sie kaum einen Tag später so zärtlich zu mir.“
Wenn ich durchschaut wurde, flüchtete ich mich zumeist in Ironie. „Vielleicht existiert beides nur in Ihren Fantasien, die Erniedrigung ebenso wie die Zärtlichkeit.“
Er schwieg lange, ehe er die Worte wagte: „Und
wenn
es meine Fantasien wären? Würden Sie mich dafür verachten?“
Diesmal brauchte ich die Antwort nicht zu überlegen. „Nein, ganz gewiss nicht. Sie sind ein Mann von großer Kraft und Würde, das spürte ich schon, bevor ich Sie näher kennenlernte. Es gibt nicht viele Menschen, die eine solche Wandlung durchleben wie Sie. Die meisten wären wohl entweder hart geblieben oder zerbrochen. Aber Sie sind lebendig geworden.“ Ich legte die Hand auf seine. „Es war schön, Ihnen zuzuhören, als Sie mich durch den Garten geführt und mir alles erklärt haben. Und es war auch schön, Sie ein wenig zu streicheln.“
„Es hat mich glücklich gemacht“, antwortete er so leise, dass ich ihn kaum verstand. „Ich wünschte, Sie würden es noch einmal tun.“
Ich blickte ihn an, und als ich seine feuchten Augen hinter der trüben Brille und seine nervösen Mundbewegungen sah, wurde mir klar, dass er das Feuer, mit dem er gezündelt hatte, nicht mehr beherrschte. Für einen Mann, der seine Sinnlichkeit seit drei Jahren unterdrückte, war es gefährlich, einer Frau davon zu erzählen.
„Später“, versprach ich. „Sobald die Männer weg sind.“
Die beiden Magier kamen bald darauf mit der Meldung zurück, dass sie nirgends im
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