Das Haus der glücklichen Alten
ihr Knochenrest zu guter Letzt in derselben wurmigen Erde zermahlen wird. Jedenfalls erhob er sich, besonders groß und immer noch bewundernswert gelenkig, und lief auf den Hof, um zusammen mit anderen Leuten über andere Dinge nachzudenken und zu sprechen. Ich verspürte den unbesiegbaren Instinkt, ihn tot sehen zu wollen, indem ich ihn nach unserem faszinierenden Gespräch an Ort und Stelle zu Boden warf, damit er mir tatsächlich das Gefühl vermittelte, dass ich ihn Laura vor die Füße werfe. Dieser widerliche Kerl mit seinem hundert Jahre alten Stolz vergnügte sich jetzt mit allen möglichen Leuten, machte immer noch ein leichtfertiges, sorgloses Gesicht, und auf eigensinnige Weise enttäuscht, glaubte ich tatsächlich, er hätte die Metaphysik verloren. Er benahm sich, als wenn nichts wäre, der Schwachkopf, unbedacht gegenüber den Gefahren, die in seinem Alter unausbleiblich sind. Hatte nichts aus dem Leben gelernt, ganz im Gegenteil, alles in allem ein Omen, um uns im richtigen Moment noch gewaltsamer auszulöschen. Wie unbesonnen dieser Mensch letztlich war, und wie auf halber Strecke befindlich zwischen mir und Laura. Wie immer schneller mein Zwiegespräch mit ihr verstummte, gerade wegen meines Willens, ihm Dauer zu verleihen und sie zurückzugewinnen, selbst wenn es nur wäre, um Laura noch einmal das Gedicht Fernando Pessoas vorzulesen, das wir so viele Jahre lang immer und immer wieder gelesen hatten, um den Pessimismus zu erlernen, ohne dass wir je Pessimisten geworden wären, wir haben lediglich Verständnis dafür gewonnen.
Ich ging zum Friedhofstor. Eine Zeitlang hatte ich geglaubt, dass ich nur dann auf den Friedhof gehen würde, wenn Doktor Bernardo mich begleitete, aber es wäre nicht meine Art, diese Strecke von fünfzig Metern in der Begleitung von jemandem zurückzulegen, der mich wie ein Hündchen zum Spaziergang ausführte. Ich verließ die glücklichen Alten und bog rechts ab, dann noch mal rechts, und schon war da die Friedhofsmauer. Das Tor befand sich weiter unten. Ich wusste, dass auf dem Friedhof Lauras Grabstein stand, nach einer kleinen Kapelle immer weiter rechts. Ich kam nicht zur Mauer, auch nicht zum Tor, ich überquerte nicht einmal die winzige Straße, die zwischen Friedhof und Heim liegt. Ich blieb auf der anderen Seite davon stehen und betrachtete die Marmorsäulen und die schrecklichen religiösen Standbilder, die wie alles andere als friedenstiftende Märtyrer wirkten. Ich sah die Blumen an und bedachte, wie sie zugrunde gingen, vertrockneten und darauf warteten, ersetzt zu werden. Erst danach ging ich ein paar Schritte näher heran. Da begannen meine Beine zu zittern, und ich begriff, dass es mir immer noch unmöglich war. Ich würde niemals den Mut aufbringen, diesen Ort allein zu betreten, weil ich mir vorstellte, dass ein solcher Schritt jedes Stück meiner Haut abreißen, jedes Stück meines Fleisches verbrennen würde, und ich erschrak, wie schließlich Kinder erschrecken, die sich nicht verteidigen können und nicht einmal das Ausmaß der Gefahr ahnen, von der sie bedroht werden.
Senhor Pereira sagte zu mir, das sei nur natürlich, die Menschen reagierten manchmal so. In seinem Fall sei es nicht das Gleiche gewesen, das Verhältnis, das er zu seiner verstorbenen Frau hatte, habe auf Toleranz und nicht auf Liebe beruht, und deshalb ließe sich sein Beispiel nicht auf mich anwenden. Ich war in mein Zimmer gegangen und hatte Mariechen die Täubchen abgebrochen. Senhor Pereira sah es ungläubig mit an und bat mich, ihm das zu erklären, er sagte, reden Sie klar mit mir, Senhor Silva, ich verstehe gar nichts. Ich sagte alles noch einmal, ich wurde wütend, und diese Täubchen klebten an der Wolke, auf der Mariechen stand, und fingen an, mir auf die Nerven zu gehen. Ich habe sie abgebrochen. Das ist ein wertloses Stückchen Keramik. Mit der Kraft von zwei Fingern bricht man die Täubchen völlig mühelos ab, und damit hat es sich. Senhor Pereira lachte laut und sagte, ein Glück, dass nicht auch die Hirten dort festkleben und zum Gebet niederknien, wissen Sie, eigentlich ist das so üblich. Ich antwortete, wie schade, es hätte mir eine noch größere Freude gemacht, hätte ich Mariechen von diesem ganzen Ungeziefer befreien können. Das arme Mädchen, man verleiht ihr sogar einen freudigen Gesichtsausdruck, aber dann reagiert sie nicht, benimmt sich, als wäre das Klo besetzt. Schließlich lächelte ich ebenfalls, mir gefiel meine Bosheit, und genau das gab ich
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