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Das Haus der glücklichen Alten

Das Haus der glücklichen Alten

Titel: Das Haus der glücklichen Alten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valter Hugo Mae
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rührend ehrlich zu. Ich mag diese Bosheit, wir können nicht alt sein und empfindlich auf alles reagieren, wir müssen hier und da auch mal rebellieren, verdammt, wir müssen zu einer Vergeltung bereit sein, zu einem Kampf, damit die Welt nicht denkt, sie brauche sich nicht um unsere Schmerzen zu kümmern. Er lachte wieder, und ich zeigte ihm die Täubchen, die ich in der Jackentasche hatte, und wir staunten beide. Ein dummes und unpassendes, aber unbeherrschbares und kostbares Erstaunen des reifen Alters. Wir entwarfen einen Plan, was wir mit diesen winzigen, kindischen Täubchen anstellen konnten. Wir mussten sie für irgendeine Rache einsetzen, für einen Kampf, wie ich schon sagte. Sie sollten mehr wert sein, als dass man sie verächtlich in den Müll warf. Nichts dergleichen, sie durften nicht verächtlich behandelt werden. Im Geschäft des schwierigen Überlebens, zu dem wir verurteilt waren, besaßen sie einen hohen Stellenwert. Wir waren gewissermaßen gefährlich, offenkundig gefährlich für die Welt.
    Die Männer waren dabei, die zwei Zimmer im oberen Stockwerk, die gebrannt hatten, neu zu streichen und sie so gut wie möglich instand zu setzen. Senhor Pereira lief mit einem Täubchen in der Hand umher und amüsierte sich wie ein beschissener Vollidiot. Er ging zu den alten Frauen und zeigte ihnen in aller Perversheit, was er bei sich hatte. Er sagte, hören Sie, ich werde Ihr Täubchen vernaschen. Das war ebenso kindisch wie unglaublich. Die alten Frauen teilten sich in zwei Lager, in die einen, die lachten, und die anderen, die wütend wurden und zornig mit ihren Stöcken herumfuchtelten. Er lief von einer Seite zur anderen und konnte sich nicht einkriegen vor Lachen, es war für ihn der absolute Gipfelpunkt des Spaßes. Ich hatte große Lust, diesen noch mehr zu pervertieren, als es ihm gefallen dürfte, ich wollte die stets überraschte Reaktion der Opfer erleben. Da tauchte Esteves auf und wollte wissen, was das für ein Durcheinander war. He, Pereira, was hast du da, fragte er. Senhor Pereira öffnete ganz langsam die Hand, als könnte das Teil wirklich fliegen und ihm entwischen, und sagte, ich vernasche jetzt das Täubchen der Alten. Esteves lachte und fand darin den nötigen Blödsinn, um eine ganze Weile an nichts anderes zu denken. Die beiden traten vor mich, sie lachten und neckten mal diese und mal jene. Sie weihten sogar die alten Männer in die Angelegenheit ein, und plötzlich kam es vor uns zu einem ruhmvollen Augenblick. Dona Leopoldina, die Kratzbürste, die sich darüber ärgerte, dass man ihr im Zimmer eine Blutpfütze hinterlassen hatte, von der man nicht wusste, was sie zu bedeuten hatte, ausgerechnet direkt vor ihrem geliebten Cubillas, aß ein paar winzige Schokoladenplätzchen, die in einer Schachtel mit Silberpapier und ein bisschen Strass lagen, solch Weiberkram, den die Frauen so lieben, und der unmetaphysische Esteves, den Senhor Pereira zum Lachen verleitet hatte, wandte sich an Dona Leopoldina und sagte zu ihr, iss Schokolade, kleine Gaunerin, iss Schokolade, und die dumme Gans hatte keine Ahnung, aus welchem Gedicht das stammte. Nie würde sie sich vorstellen können, welcher geniale Dichter dort gerade als ein Wunder der Literatur vorüberflog, eine unglaubliche Epiphanie dessen, was die Literatur vom wirklichen Leben hatte. Von unserem eindrucksvollen wirklichen Leben.
    Dona Leopoldina warf das inzwischen leergegessene Schächtelchen mit den exquisiten Juwelen Esteves ins Gesicht, und der wich zurück, wollte von nichts etwas wissen, und wiederholte tausendmal, was er schon zusammen mit Senhor Pereira gesagt hatte, iss Schokolade, iss Schokolade, gottverdammich, es war wirklich wahr, dass es in der Welt keine Metaphysik mehr gab, die an den elementaren Glanz dieser Idee heranreichte. Dona Leopoldina sprang zornfunkelnd wie eine Bestie auf und nahm ein paar Sachen, die ihr gehörten, von einem Tischchen. Mit tiefster Verachtung wandte sie sich von uns ab und steigerte sich plötzlich in einen geradezu wahnhaften Ärger hinein. Sie blieb im Korridor stehen, schaute zurück, um sich zu vergewissern, dass wir auch ja alles mitbekamen, und kratzte sich voller Hohn am Hintern. Ganz umstandslos kratzte sie sich am Arsch, als wolle sie uns sagen, wir könnten ihr mal an der Pupe schmatzen, und sie schrie, hoch lebe Porto. Senhor Pereira sagte, sieh einer an, dieses Luder meint, wir können sie mal. So war es, die Alte mit diesem ungeheuren Arsch, der bestimmt in fürchterlichen

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