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Das Haus der glücklichen Alten

Das Haus der glücklichen Alten

Titel: Das Haus der glücklichen Alten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valter Hugo Mae
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beruhigen und sie beim Lesen des Briefs im Auge zu behalten. In diesem Augenblick war ich so unvorsichtig, den drei einen Schritt nachzulaufen. Wie ein kopfloser Verbrecher kam ich ihnen zu nahe. Wie ein Riesendummkopf, der sein Verbrechen nicht vergessen konnte. Dona Marta schwankte mit dem ganzen Körper. Sie stützte sich auf den verwirrten Doktor Bernardo und sprach. Mit vor Hass funkelnden Augen starrte sie mich an und sagte, du warst es, der mich geschlagen hat. Sie sagte es noch einmal, du warst es, der mich geschlagen hat, du Ausgeburt der Hölle.
    Dona Leopoldina, die Hysterikerin von der Blutpfütze, stand ärgerlich auf, als sagte sie, ich hab euch gewarnt, ich hab’ euch gewarnt. Ich weiß nicht, was ihr in den Kopf gekommen war, jedenfalls flatterte sie auf mich zu, erregte im Saal eine allgemeine Hysterie, so dass ein paar Alte ängstlich hinausliefen, während andere bestürzt hereinkamen und wissen wollten, was passiert war. Dona Leopoldina zog zeternd über alles und jeden her, nicht einmal Doktor Bernardo konnte sie zur Ruhe bringen. Dona Marta, deren Schütteln sich nicht beruhigen wollte, da ihr die Gedanken noch weniger Halt gaben als der Körper, hielt den Brief fest umklammert und drückte ihn ans Herz, als flöße er ihr durch die Brust unendliches Leid und zugleich Glück ein.

10 Zu kleine Augen,
um etwas so Großes zu sehen

    Es kränkte mich tief, dass dieser Cristiano Silva bei den glücklichen Alten eingezogen war. Es kränkte mich, als wenn mich eine Plage verfolgte. Nein, schlimmer noch. Es kränkte mich, als wenn ich die Nacht von damals noch einmal durchlebte, jene pervers groteske Nacht, in der ich mich fühlte, als wollte man sich über mich und Lauras Tod lustig machen. Der sprechende Papagei, der mich im schlimmsten Moment meines Lebens gepeinigt hatte, war gekommen, um auch meinen Tod zur Posse zu machen. Doch an diesem Tag trat er in mein Zimmer und sagte, in uns allen gibt es eine fehlerhafte Seite. Daran ist nichts zu ändern, es gibt sie, und ab und zu gewinnt sie die Oberhand. Ich schaute durchs Fenster und blickte auf die im Garten vorbeiradelnden Kinder. Ich sagte, als ich das erste Mal hier war, wollte man mir einreden, das Glück bestehe in diesen vorbeiradelnden Kindern, als würde es einem neuen Bewohner dieses Zimmers genügen festzustellen, dass immer noch Menschen geboren werden und dass es immer noch jemanden gibt, der am Anfang steht. Ich aber, Senhor Cristiano, ich bin ein Romantiker, und man lernt nicht von heute auf morgen, ohne Liebe zu leben. Wie man es von mir erwartete. Was hätte ich denn Ihrer Meinung nach tun sollen? Hierherkommen, den Kindern zuschauen und mich glücklich fühlen? Das gibt es nicht. Sosehr ich es mir wünschte, und ich habe mir diese Ruhe tatsächlich gewünscht, doch unser Kopf versinkt in den Knochen, und wie es aussieht, macht er alles kaputt. Ich habe nachts ins Dunkel gestarrt, und ich hätte schwören können, dass Raben und Geier zum Fenster hereinflogen und mir das Fleisch von den Knochen hackten. Wenn ich dann ganz verwirrt und in Panik aufsprang, hatte ich das Gefühl, ich wäre nirgendwo, ich war nur noch die personifizierte Beobachtungsgabe, um zu sehen, was sich hier abspielte. Verstehen Sie? Ich war nur ein Schauen, eine Sichtweise. In diesem Moment fiel mir alles aus der Hand. Ich strengte mich an, die Kontrolle über mich wiederzuerlangen, aber nichts gehorchte mir, weil nichts der trügerischen Logik meines Kopfes folgte. Senhor Pereira kam in mein Zimmer und fragte, wie es mir gehe, und ich hatte feuchte Augen und wusste nicht, ob ich wieder einmal wie eine verpetzte Memme losheulen sollte. Senhor Pereira sagte, das war jetzt aber wirklich eine Überraschung, aber alle glauben noch, dass es eine Erklärung gibt. Ich antwortete, es war drei Uhr früh, ich hatte einen Albtraum gehabt. Ich musste ihr etwas sagen, ich weiß nicht mal mehr genau, was. Aber sie verstand nicht, sie erschrak, und danach erschrak ich. Ich wollte nur, dass sie still war. Sie wollte nämlich schreien, und ich hatte Angst.
    Das Leben hier ist eher schwierig als einfach. Was soll das heißen?, fragte Senhor Pereira. In Wirklichkeit ist das Leben immer eher schwierig als einfach, denken Sie nur an die Maschine, die der Körper ist, und wie sie Tag und Nacht arbeitet, um Ihnen all diese Abenteuer zu erlauben. Das ist eine Komplikation. Anísio meinte, es gebe für alles eine Lösung. Wir würden wieder alle in Frieden leben, weil Dona Marta nicht

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