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Das Haus der glücklichen Alten

Das Haus der glücklichen Alten

Titel: Das Haus der glücklichen Alten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valter Hugo Mae
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schwieg, weil ich mich so tief in meinem Leben schämte wie noch nie. Ich empfand die Scham eines unartigen Kindes, das mutwillig etwas getan hat, was nach einer strengen Lektion verlangt, damit es ihm hilft, groß zu werden. Und ich wurde nicht erwachsen, ich war erwachsen gewesen. Darum war die Lage für mich noch schwerer zu ertragen, und ich fand kein einziges vernünftiges Wort, das mir geholfen hätte, leichter zu atmen. Zum Glück war Doktor Bernardo nicht allzu streng zu mir. In diesem Ereignis lag etwas Schicksalhaftes. Die Alte hatte wieder gesprochen, und obwohl sie nun noch weiter von der Wirklichkeit entfernt war, fühlte sie sich glücklicher als je zuvor, und auch ich änderte mich gründlich in dieser ganzen Zeit. Ich hatte die ursprüngliche Unbekümmertheit verloren und wurde ein zuverlässiger Bewohner. So ist es nicht, Senhor Silva. Ich blickte nicht hoch, antwortete nicht, wusste nicht, was ich mit Recht antworten konnte.
    Sie müssten ein Gläubiger sein, sagte Anísio. Wo alles bei Ihnen so gut läuft, sollten Sie Gott danken. Wir waren nicht in lustiger Stimmung, aber ich lächelte aus Sympathie. Eine Sympathie, die aus tiefer Enttäuschung kam. Ich antwortete, ich lege mich ein bisschen hin, ich bin müde. Und der europäische Silva hielt mich zurück, er sagte, Freund Silva, flüchten Sie sich nicht davor, flüchten Sie sich nicht vor uns, bleiben Sie hier, wir machen ein bisschen Jux, und das entspannt sich gleich. Dona Leopoldina lief an uns vorbei, und als sie uns wie eine Herde bösartiger Bestien verschwörerisch zusammenstehen sah, stieß sie ihren Schrei aus: Es lebe Porto, und das genügte, dass uns kollektives Gelächter überwältigte. Der europäische Silva sagte, das ist spitze, he, Freund Silva, das ist spitze. Anísio brüllte, he, Senhor Pereira, kommen Sie her, kommen Sie her, Sie haben schon was Schönes verpasst. Senhor Pereira kam und fragte, was denn? Ihr guckt ganz schön blöde. Ich antwortete, setzen Sie sich zu uns, Senhor Pereira, Sie wissen ja, dass die Neuigkeiten alle hier passieren.
    Senhor Pereira setzte sich zu uns, lächelte kurz und sagte, es freut mich, Sie so fröhlich zu sehen, denn das Leben ist kurz. Mich beeindruckte diese Fürsorglichkeit. Es war sehr großmütig, mir so etwas zu sagen, wo ich doch ein verbitterter, liebloser Alter war. Ich bin bestimmt rot geworden. Ich fühlte mich wie ein Weichei und bin bestimmt rot geworden. Ich gab nicht einmal eine Antwort. Ich ließ zu, dass sich der europäische Silva in das Gelärme einmischte und dem Gespräch eine andere Richtung gab. Wir sprachen schlecht von der Kirche, auf die hatten wir uns eingeschossen. Senhor Pereira fragte, sind wir immer noch bei dieser Geschichte, massakrieren wir immer noch Anísio? Ich sagte, er meint, ich müsste ein Gläubiger sein. Ho, ho, Anísio da Silva Franco, da trauen Sie sich ja was. Denken Sie dran, der da reißt der Heiligen Jungfrau von Fátima die Täubchen ab und brät sie erbarmungslos in der Pfanne. Ich entgegnete, mein Mariechen ist ein gutes Mädel, ich mag es nicht, wenn die Täubchen ihr auf der Wolke lasten. Wir lachten, und Senhor Pereira drängte, also, Anísio, nun erklären Sie doch mal, woher Sie die Gewissheit nehmen, dass sich da oben über den Wolken jemand um uns kümmert.
    Anísio Franco war um eine schnelle, pfiffige Antwort nie verlegen. Von wegen. Zunächst erklärte er uns, er unterscheide sehr genau zwischen Kirche und Glauben. Er meinte, dass die Kirche eine Mafia von Interessengruppen sei. Der europäische Silva unterbrach ihn und sagte, ein paar Arschlöcher sind das, die Kirche ist eine Institution mit einem fetten Wanst, die es sich auf dem Platz neben Salazar bequem gemacht hatte. Wie immer, sagte Anísio, stets auf der Seite der Unterdrücker, die ganze Logik der Kirche beruht nämlich auf Unterdrückung. Eine andere Sprache kennt sie nicht. Und Senhor Pereira sagte dazu, so ist es auch nicht gut. Das sagte er, weil es ihm ein bisschen peinlich war, dass er an den lieben Gott glaubte und heimlich ein paar Messen besuchte. Wir wussten Bescheid. Senhor Pereira ging manchmal zur Messe, als würde er vor unseren Augen sündigen. Was für ein Revolutionär. Der europäische Silva sagte, bei dieser ganzen Scheiße bin ich ein gottverfluchter Kommunist. Ich lachte. Langsam verrauchte meine Wut, dass er mich Kommunist genannt und mich so mir nichts dir nichts in eine Schublade gesteckt hatte, wie man nichts, und niemanden in eine Schublade

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