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Das Haus der glücklichen Alten

Das Haus der glücklichen Alten

Titel: Das Haus der glücklichen Alten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valter Hugo Mae
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stecken darf. Anísio erklärte weiter, es gebe genug Wunder in der Welt, dass wir denken könnten, über uns wache Gott. Doch der Mensch sei so klein, dass es schwierig sei, die Größe solchen Geschehens zu sehen. Das sei so, als hätten wir zu kleine Augen, um etwas so Großes zu sehen. Was für eine komische Vorstellung, dass, was die Augen sahen, nicht ihrer Größe entsprach. Also, Anísio, dass Sie an den lieben Gott glauben, finde ich sogar ganz hübsch, aber dass Sie so glauben, mit so vielen Einbildungen, das finde ich geradezu blöd. Senhor Pereira bekannte, es sei etwas tief Inneres zu glauben, und es lasse sich nicht erklären, das fühle man nur. Der europäische Silva protestierte mit einem Lachen. Er meinte, wenn man fühle, dass es Gott gebe, sei das so, als fühlten wir, dass wir jemanden liebten und unser ganzes Leben glaubten, diese Liebe werde erwidert, um später zu entdecken, dass der andere nur aus Trägheit und Bequemlichkeit mit uns zusammen war. Wenn man etwas fühle, was es nicht gebe, sei das gewissermaßen Sehnsucht nach uns selbst. Vieles sei nur Sehnsucht. Viele Gefühle. Das ist wie ich Ihnen sage. Wissen Sie, auch wenn wir uns nach der ruhigen Zeit zurücksehnen, die vor der Revolution war. Also, Senhor Cristiano, Sie wollen doch nicht etwa wieder vom alten Regime reden. Das nicht, aber es ist wichtig, an diese Geschichten zu denken, antwortete er. Wir hier sind alle Faschisten. In unseren Köpfen steckt ein unüberwindlicher Faschismus, wenn wir meinen, früher sei es gut gewesen. Das ist der übriggebliebene Faschismus, der von der Sehnsucht nach der Vergangenheit herrührt. Wissen Sie, wenn wir meinen, Salazar würde aufräumen und der Jugend Ordnung beibringen, so ist das natürlich, weil wir nämlich Angst haben vor der neuen Zeit. Es ist nicht unsere Zeit, und wir müssen uns verteidigen. Wenn wir sagen, früher sei die gute alte Zeit gewesen, hängen wir nur unseren wehmütigen Erinnerungen nach, wir wollen eigentlich sagen, früher waren wir jung und dachten, die Welt würde uns gehören, und wir hatten keine Rückenschmerzen und kein Rheuma. Das ist eine wehmütige Erinnerung an uns selbst, nicht unbedingt an das Regime, und noch weniger an Salazar. Ich hörte meinem Nachbarn Silva zu und wusste nicht, was ich denken sollte. In einem Augenblick nannte er uns Kommunisten, und im nächsten waren wir gleich Faschisten. Ich fragte, macht das gute Menschen aus uns? Er freute sich, natürlich sind wir gute Menschen, Senhor Silva, wir sind nicht von Natur aus mit irgendeiner Politik verseucht, wir haben ein bisschen von allem, aber hauptsächlich haben wir Sehnsucht nach früher, weil wir alt sind, und als wir jung waren, waren wir so stark und voller Hoffnung, dass es uns von vielem kurierte. Der Faschismus der Gutmenschen. Was sagen Sie?, fragte Senhor Pereira. Der Faschismus der Gutmenschen. Davon gibt es hier reichlich. Er tut fast keinem mehr weh, und er soll auch keinem mehr schaden. Aber er ist ein Gefühl, das sich still in uns versteckt, weil wir wissen, dass es ihn vielleicht nicht geben dürfte. Aber es gibt ihn, weil die Vergangenheit in diesem Sinne stärker ist als wir. Wer wir waren, wird für immer in dem enthalten sein, der wir sind, so sehr wir uns auch ändern mögen oder Neues erlernen.
    Anísio, Sie lässt man ja gar nicht mehr zu Wort kommen, wie sollen Sie da erklären, warum Sie an Gott glauben und ob er irgendwann zu Ihnen gesprochen hat. Anísio wehrte mit den Händen ab, um seine Gleichgültigkeit zu bekunden, und sagte, ihr seid alle verrückt. Ich werde mich hier nicht aus dem Fenster lehnen, damit ihr euch über mich lustig macht. Wir lachten alle, und die Sonne war an diesem Spätnachmittag unglaublich wärmend. Oder vielleicht hatte ich mich erst jetzt genügend beruhigt, um zu merken, dass es ein herrlicher Tag war. Wir schwiegen eine Weile, mit Gott oder ohne Gott, unter dem wunderbaren Licht, das uns so gut tat wie Pflanzen. Ich lächelte in mich hinein. Es war ein Festmahl des Lichts.
    Danach besichtigten wir Anísios Zimmer, und es stimmte, es war mit vielerlei Heiligtümern vollgestopft, die an allen Seiten hinunterpurzelten. Es machte ihm wenig aus, dass wir den fehlenden Platz und diese weit aufgerissenen Augen kritisierten, die uns mit Haut und Haaren auffraßen. Es waren Antiquitäten. Künstlerisch sehr wertvolle Figuren, die er während seines ganzen Lebens erworben hatte. Beinahe hätte man ihm untersagt, so viel Plunder ins Heim

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