Das Haus der glücklichen Alten
glücklich, im Traum, blödsinnig glücklich. Manchmal wachte ich auf. Das war, wenn mich die Dunkelheit des Zimmers in die Wirklichkeit zurückkehren ließ, oder auch nicht, ich stand auf, machte die Fensterläden wieder zu, die hartnäckig – ich wusste nicht, wie – aufklappten, und ich sah gerade noch die letzten Vögel davonfliegen, die mich eine Weile in Ruhe ließen, vielleicht weil sie es satthatten, gegen meinen schwankenden Irrsinn anzustürmen, der ihnen alles nur nach so überaus schwierigem Kampf hergab.
Senhor Pereira zog schließlich in Dona Martas Zimmer. Man nahm seine Sachen, und in zwei Stunden hatte er sich an der Stelle der Toten eingerichtet. Er war nun näher bei mir, was keine Strafe sein würde, doch bestrafte er sich mit dem Gedanken, dass man ihn, weil er sich schmutzig gemacht hatte, dorthin umquartiert hatte, um zu sehen, ob er mit dem Gespenst der anderen noch so weitermachte. Gespenster, sagte Anísio, sind nicht so leicht zu erwischen wie ein Linienbus, sie sind ohne Fahrplan unterwegs. Wenn sie weg sind, sind sie weg. Und sie kommen nur vorbei, wenn sie müssen, aber ich glaube nicht, dass Dona Martas Gespenst Ihnen etwas anhaben will, Senhor Pereira. In der vergangenen Woche war er um Jahre gealtert. Er hatte die Augen niedergeschlagen und sah uns nicht an. Der europäische Silva bestätigte die Meinung des klugen Anísio. Dass hier ein Gespenst spuke, sei ein verrückter Gedanke. Da Dona Marta auf ihren Mann wartete, müsse sie ihn alle Augenblicke überfliegen, um zu sehen, was ihn noch zurückhalte. Wie verdammt lange er schon weg war, mehr als drei Jahre, viel mehr, und er habe nicht mal von sich hören lassen, nichts Gutes und nichts Schlechtes. Es sei fast sicher, dass Dona Martas Ehemann ihr mit einer anderen Frau Hörner aufsetzte, dass er gierig ihr Geld verprasste und für immer in ihrem Haus wohnte. Und Dona Marta, die zwar romantisch, doch wohl nicht dumm gewesen sei, müsste ihn an den Füßen zerren und von den Regalen hinunter mit Folianten bewerfen. Es wäre nicht verwunderlich, wenn die Leute erzählten, im alten Haus der Frau sähe man Gestalten wandeln, und auf dem Dachboden würden Stimmen widerhallen. Es wäre überaus wohlgetan, wenn sie dort eingekehrt wäre, um den eigennützigen Mann, den sie zu ihrem Unglück geheiratet hatte, zu erschrecken. Anísio sagte so etwas mit einem Lächeln, und Senhor Pereira rührte sich kaum. Der europäische Silva setzte sich, legte ihm die Hand auf die Schulter und betonte, hier sind Sie näher beim Nachbarn Silva, und es ist günstig, dass Sie Freunde sind. Anísio lachte und bemerkte, wir werden noch alle an diesem Korridor einquartiert. Der europäische Silva setzte hinzu, im Bett von Nachbar Silva, wie Esteves. Alle auf einem Haufen zusammen, um einen Platz im Bett zu ergattern. Ich lächelte. Auch Senhor Pereira lächelte schwach. Allmählich wärmte die Sonne, und wir hatten den Eindruck, dass alles wieder so sein konnte wie an den lustigsten Nachmittagen, die wir verbracht hatten. Wir glaubten, dass wir noch lachen könnten wie früher, inmitten von Toten und allem, um der Wirklichkeit zu entfliehen oder dem Zustand, dass es nicht mehr möglich war, vor etwas zu fliehen. Senhor Pereira fühlte sich nicht wohl, er beugte sich auf dem Stuhl nach vorn und seufzte etwas. Anísio legte ihm die Hand auf die Schulter, nicht, um sie zu klopfen, sondern nur, um ihn spüren zu lassen, dass er da war und ihn festhalten würde, wenn er hinfiele. Senhor Pereira fiel nicht hin. Er stand wie betäubt auf und lief ins Haus. Wir rannten ihm alle hinterher, um nach ihm zu sehen. Auf dem schäbigen Teppich des Saals übergab er sich. Die Alten, die im Saal in den Lehnstühlen saßen, um zu schlummern oder den Schlummernden zuzuschauen, blieben unbeeindruckt. Eine Frau hob leicht die Hand, als wolle sie jemanden rufen. Aber sie sagte nichts. Es kam kein Ton mehr aus ihrer Kehle. Sie hob leicht die Hand und reagierte weiter empfindlich, beinahe mit einem Lächeln, einem Lächeln in einem sonst fast vollkommen ausdruckslosen Gesicht, als wollte sie um Entschuldigung bitten dafür, dass sie dort war, als wollte sie um Verständnis bitten und um Mitleid flehen. Senhor Pereira suchte Zuflucht bei Anísio und dem europäischen Silva. Der Abend brach an. Ich hatte es nicht geschafft, ihm meine Hand auf die Schulter zu legen. Ich war wohl nicht eng genug mit ihm befreundet. Oder ich hatte Angst, und ich wusste nicht, wovor.
Ich glaube nicht,
Weitere Kostenlose Bücher