Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)
Karte heraus. Wenn der Magnettrick nicht funktioniert hatte, würden sie Jonathan schnappen.
Mr. Sung zog als erster seine Karte durch den in den Türpfosten eingelassenen Metallschlitz. Eine Digitalanzeige bestätigte den ersten Teil des Ablaufs und fuhr fort: »Bitte zweite Karte einführen.«
Charlotte trat vor. Ihre Pulse jagten. Was würden sie mit Jonathan tun, wenn sie ihn erwischten? Er hätte dann Beweismaterial in einem von einer Bundesbehörde verfolgten Verbrechen verfälscht.
Er setzt seine Karriere aufs Spiel, um meine Firma zu retten.
Die Karte glitt ihr aus den Fingern und landete weich auf dem Teppich.
»Entschuldigung«, murmelte Charlotte und hob sie auf.
Komm schon, Jonathan! Piep mich an!
Sie holte tief Luft, hielt den Atem an und zog die Karte durch den Schlitz. Nichts geschah. »Ich glaube«, bemerkte Agent Knight trocken, »Sie haben sie verkehrt herum gehalten.«
Sie drehte die Karte um und zog sie noch einmal durch. Einen Sekundenbruchteil später stand auf der Anzeige: »Karte ungültig. Bitte zweite Karte einführen.«
»Darf ich?« Knight hielt ihr die Hand hin. Sie gab ihm die Karte. Nun versuchte er es, ließ die Karte mehrfach durchgleiten, drehte sie um, wechselte die Richtung. Nichts.
»Das ist mir noch nie passiert«, versicherte Charlotte und begegnete gelassen Knights bohrendem Blick. »Könnte es sein, daß jemand an dem Schloß manipuliert hat?«
Sie sah auf die Wanduhr. Zwanzig Minuten waren vergangen. Noch zehn.
»Keine Sorge«, antwortete Knight. »Wir sind auf alles vorbereitet.« Dann rief er: »Randall? Wir brauchen den Schweißbrenner!« Sein Lächeln war einem finsteren Blick gewichen. »Es wird sicher eine Stunde dauern, aber wir kriegen ihn auf, verlassen Sie sich darauf.«
Charlotte wurde es leichter ums Herz. Eine Stunde war mehr als genug.
»Um Himmels willen!« sagte Margo plötzlich. »Was sind das für brutale Methoden!« Sie machte auf dem Absatz kehrt und marschierte in ihr Büro, um gleich darauf mit einem Kartenschlüssel zurückzukommen. »Hier. Ich weiß nicht, ob er funktioniert, ich habe ihn noch nie benutzen müssen.«
Bevor Charlotte irgend etwas tun konnte, zog Knight die Karte durch den Schlitz. Auf der Digitalanzeige erschien ein grünes Licht, und die Tür sprang auf.
Charlotte sah auf ihre Armbanduhr. Jonathan brauchte immer noch acht Minuten. »Agent Knight«, bat sie, »könnten Ihre Leute nicht wenigstens bis morgen früh warten? In ein paar Minuten beginnt die Buchhaltung ihre Schicht, die auch die Gratifikationsschecks ausstellt.«
»Mrs. Lee! Wir haben es hier mit drei Morden, vielleicht sogar einem vierten, zu tun. Wir können keine Zeit verschwenden. Wer weiß, ob nicht weitere Leben gefährdet sind. Ich meine, die Schecks können noch ein oder zwei Tage warten, finden Sie nicht?« Er wandte sich ab. »Wo ist O’Banyon? Sagen Sie ihm, wir haben den Server!«
Während sie wartete und darauf hoffte, daß dieser O’Banyon sich Zeit ließ, beobachtete Charlotte Margo, Adrian und Mr. Sung und fragte sich, ob einer von ihnen der Schuldige sein konnte. War Adrian schlau genug, aus einem Gasherd und einem Telefon eine Bombe zu basteln? Würde Mr. Sung sie wirklich mit einer Garagentür umbringen wollen? Und besaß Margo soviel technisches Wissen, daß sie das Video mit Yolandas Mord fälschen konnte? Und welche Motive konnten sie haben? Jeder von ihnen war vielleicht, so wie Knight es angedeutet hatte, zu einer Veruntreuung fähig. Aber Mord?
»Unser Freund versteht genug von Computern«, hatte Jonathan gesagt, »um eine Rezeptur zu verändern, aber er weiß nicht, daß eine gelöschte Datei nicht zerstört wird.«
Soweit Charlotte wußte, verfügten sowohl Margo als auch Adrian und Mr. Sung über eine gewisse Computererfahrung, ohne deshalb Experten zu sein. Mr. Sung benutzte sein Gerät zum Texteschreiben und bei der Suche nach juristischen Informationen im Netz. Adrian verfolgte die Börse und las das elektronische Wall Street Journal. Margo ließ den Computer wahrscheinlich meist ausgeschaltet.
Natürlich hatte sich Charlotte darüber bisher nie den Kopf zerbrochen. Sie hatte sich stets auf das verlassen, was man ihr erzählte. Schließlich bestand kein Anlaß, die Angaben ihrer Vorstandskollegen anzuzweifeln. Jetzt war sie sich nicht mehr so sicher. Vielleicht hatte sich einer der drei heimlich weitergebildet und kannte sich jetzt im System von Harmony besser aus als sie selbst?
Und was war mit Desmond, der
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