Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)
fast beide umgebracht.«
»Es ist noch nicht vorbei, Johnny«, antwortete sie atemlos. »Du mußt zurückkommen.«
34
Sie ließen Charlottes Wagen verschlossen am Straßenrand stehen und fuhren, so schnell sie konnten, zu Harmony Biotec zurück. Kurz vor der Einfahrt ging Jonathan vom Gas, schaltete die Scheinwerfer aus und lenkte den Lincoln an eine Stelle, die von der Parkplatzbeleuchtung nicht erfaßt wurde. Sie vergewisserten sich, daß niemand in der Nähe war, und hasteten zum Museum. Schnell schlüpften sie hinein, schüttelten sich den Regen aus den Haaren und schlossen die Tür hinter sich ab – gerade rechtzeitig, um den Postalarm des Computers zu hören.
Jonathan klickte auf Neue Post lesen, und Charlotte hielt den Atem an, als die neue Nachricht erschien:
»Fast ein Uhr, Charlotte.
Nur noch fünf Stunden.«
Ohne den Mantel auszuziehen, riß Jonathan den Laptop aus der Reisetasche und hatte ihn binnen zwei Minuten aufgestellt und eingestöpselt. Er drückte eine Taste, und man hörte den Wählton eines Telefons. Gleich darauf meldete der Bildschirm:
Zielnummer erreicht … Anruf wird weitergeleitet … Bitte warten.
Plötzlich öffnete sich ein Computerfenster, und Quentins Gesicht zeigte sich. »Hallo?« Und dann: »John! Ich denke, du sitzt im Flugzeug nach London! Was gibt es?«
»Ich kann hier noch nicht weg. Es ist wieder etwas passiert.«
»Was? Jetzt paß mal auf …«
»Ich möchte, daß du eine Konferenzschaltung herstellst, Quent. Sag den Leuten, unser derzeitiger Klient stecke in einer Krise und ich könne ihn nicht im Stich lassen, würde aber per Videotelefon an der Sitzung teilnehmen. Das kann eigentlich nur einen positiven Eindruck machen. Quentin, was ist das für ein Lärm?«
Aus dem Hintergrund hörte man ein stetiges Ka-wumm, Kawumm, Ka-wumm.
Quentin legte die Hand ans Ohr. »Gräßlich, was? Sie schachten einen neuen U-Bahnhof aus, direkt unter meinem Fenster.«
»Wo bist du denn?«
»Habe ich dir das nicht gesagt? Ich wohne im Hotel Vier Jahreszeiten, solange meine Wohnung renoviert wird. Das habe ich dir aber bestimmt erzählt.«
Jonathan zog die Brauen zusammen. »Vor zwanzig Stunden warst du noch zu Hause. Ich erinnere mich nicht, daß du etwas …«
»Sorry! Verstehe kein Wort! Aber he, die Sache mit der Konferenzschaltung ist genial. Sie zeigt diesen neuen Leuten, wie wir uns für unsere Klienten einsetzen und gibt ihnen einen Vorgeschmack auf die Loyalität, die sie von uns erwarten können, wenn wir für sie arbeiten. Gefällt mir, John, mein Junge!«
Ka-wumm, Ka-wumm. »Jetzt hör dir das an! Ich werde wohl noch ins Dorchester umziehen müssen, sonst werd ich verrückt. Also gut, ich richte die Schaltung ein. Imponieren wir ihnen mit ein bißchen High-Tech! Ich melde mich in ein paar Stunden wieder bei dir.«
Als das Gespräch beendet war, blieb Jonathan sitzen und starrte auf den Bildschirm.
»Was ist los?« fragte Charlotte.
»Irgendwas stimmt nicht. Ich kenne Quent, und ich weiß, wann er mir etwas verschweigt. Er ist nervös, Gott weiß warum.«
»Jonathan, fahr nach Hause. Ich hätte dich nicht zurückholen sollen. Du wirst dort gebraucht.«
Jonathan, der noch immer finster auf den Computer starrte, wollte gerade etwas sagen, als der Postalarm wieder ertönte. Die neue Botschaft lautete:
»LOLOLOLOL.«
»Was heißt denn das?« fragte Charlotte verblüfft.
»L-O-L«, erklärte Jonathan, stand auf und riß sich den Regenmantel herunter. »Das ist Internet-Jargon für ›Laughing Out Loud‹, das heißt ›Brüllendes Gelächter‹.« Er setzte sich wieder hin, krempelte mit knappen, entschlossenen Bewegungen die Ärmel auf und sagte: »Der Schweinehund lacht dich aus. Bei Gott, das wird ihm noch leid tun.«
Zweiter Teil
35
Zwei Uhr morgens – Palm Springs, Kalifornien
»Harmonie, warum hast du nicht auf mich gewartet?« rief Gideon, als er die Hochzeitstorte, die Gäste und Mr. Lee im Smoking des Bräutigams sah.
Wie konnte ich denn? erwiderte Harmonie wortlos und nur in ihrem Herzen, so daß keiner, nicht einmal Gideon, es hören konnte. Wie hätte ich warten können, wenn du zehn Monate wegbleiben wolltest und unser Kind in neun Monaten zur Welt kommen wird?
»Ich werde nie eine andere so lieben wie dich, Charlotte«, erklärte Gideon leidenschaftlich, nur daß es nicht mehr Gideon, sondern Jonathan war, der nach ihr griff, die Hände auf ihren Schultern …
Charlotte schrie auf.
»He!« Jonathan rüttelte sie sanft. »Alles in
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