Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)
den Kopf. Ihr fiel kein Grund ein, weshalb Naomi Anteile einer Konkurrenzfirma erwerben sollte. Es sei denn … »Mike! Naomis Verlobter ist Anlageberater. Er muß sie überredet haben, diese Anteile zu kaufen. Sonst hätte sie es nicht getan.«
»Wie sehr vertraust du Mike?«
»So sehr wie Naomi.« Doch im selben Moment fiel ihr ein, daß Jonathan gesagt hatte, der Fremde in der Kojoten Bar, der Rusty Brown dazu angestachelt hatte, sich an der Firma zu rächen, habe einen langen Pferdeschwanz gehabt.
Naomis Verlobter hatte seine langen Haare immer zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.
Entschlossen schüttelte sie den Kopf. »Nein, das ist zu albern. Mike wäre als Killer genauso überzeugend wie Donald Duck.«
Jonathan streckte seine rechte Hand aus und schaute so angespannt in die Handfläche, als suche er in seiner Lebenslinie eine Antwort. »Wo hast du Naomi eigentlich kennengelernt? War es nicht im Zusammenhang mit Chalk Hill?«
»Ja. Naomi gehörte damals zu einer Gruppe mit dem Namen ›Segnet die Tiere‹.«
»Die Tierschützer?«
»Du kennst sie?«
»Es gibt sie auch in London. Was genau ist damals passiert?«
Chalk Hill war das letzte, über das Charlotte sprechen wollte, aber Jonathan mußte die Wahrheit wissen. »›Segnet die Tiere‹ hatte einen großen Feldzug gegen Tierversuchslaboratorien gestartet. Ihre Methode bestand darin, einzubrechen, die Tiere freizulassen und das Labor dann abzufackeln.« Sie sah wieder verblüfft auf den Ausdruck der Mondstein-Investoren in ihrer Hand. »Die Behörden bekamen einen Tip. Polizei und Medien waren vor Ort, bevor alle fliehen konnten. Naomi und ich wurden verhaftet.«
»Aber du wurdest nicht verurteilt.«
»Das Verfahren gegen mich wurde eingestellt.«
»Und Naomi?«
Charlotte biß sich auf die Unterlippe. »Naomi bekam eine Geldstrafe und sechs Monate auf Bewährung.«
»Ihr wurdet beide aus demselben Grund verhaftet und wegen desselben Vergehens angeklagt. Deine Anklage wurde fallengelassen und du kamst frei, während Naomi Strafe zahlen und Bewährungsauflagen einhalten mußte. War sie darüber nicht sauer?«
Charlotte hob ruckartig den Kopf. »Natürlich nicht!«
»Sie könnte es dir nicht nachgetragen haben?«
»Selbst wenn es so wäre, würde sie deshalb nicht versuchen, mich umzubringen, meine Firma zu ruinieren oder ihr eigenes Haus in die Luft zu sprengen, Herrgott noch mal!«
»Ihr Haus ist sehr hoch versichert.«
Sie sah ihn entsetzt an. »Wie kommst du dazu, in Naomis Privatangelegenheiten herumzuschnüffeln?«
»Ich schnüffele bei jedem herum, der verdächtig sein könnte.«
»Aber Naomi ist nicht verdächtig, also hör auf damit! Mein Gott, sie ging zu ›Segnet die Tiere‹, weil ihr nichts heiliger ist als das Leben. Und außerdem …«
Jonathan runzelte plötzlich die Stirn.
»Was ist?« fragte sie ungeduldig.
»Dieser Name … ›Segnet die Tiere‹ … ich könnte schwören, daß er mir vor kurzem untergekommen ist.«
Sie folgte ihm ins Büro, wo er hastig einen Stapel Papier, der auf dem Schreibtisch lag, durchblätterte. »Ich versuche immer noch, einen Hinweis zu finden, irgendeine Verbindung zwischen dir, den Opfern und Harmony Biotec. Ich habe das staatliche Nachrichtenarchiv durchforstet und etwas entdeckt … ja, hier ist es.« Er hielt ein Blatt hoch. »Richtig. ›Segnet die Tiere‹. Es betrifft … o Gott.«
»Nun?«
»Ich hatte einen Suchlauf ›Chalk Hill‹ gestartet und fand dabei einen Artikel über die Vorsitzende von ›Segnet die Tiere‹. Aber als ich sah, daß er neueren Datums war, habe ich ihn weggelegt, weil mich nur die Zeit vor acht Jahren interessierte.«
»Na und?«
»Charlotte, der Artikel ist ein Nachruf!« Er gab ihr das Blatt. »Die Frau, die vor acht Jahren Vorsitzende von ›Segnet die Tiere‹ war, ist das dritte Opfer. Sie starb an den Wonne -Kapseln.«
Charlottes Augen eilten über den Text. »Jetzt erinnere ich mich. Sie und ich hatten in einer Fernsehdiskussion, die bundesweit ausgestrahlt wurde, eine ziemlich häßliche Auseinandersetzung, bei der wir uns gegenseitig beschimpften. Sie war plötzlich nicht mehr gegen Tierversuche überhaupt, sondern nur noch gegen die anderer Leute. ›Segnet die Tiere‹ wollte eigene Laboratorien einrichten, in denen die Tiere angeblich humaner behandelt und nicht gequält werden würden. Ich hielt das für Augenwischerei und wurde schrecklich wütend. Sie drohte, sie würde mich verklagen, und ich schrie, ich würde jedes
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