Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)

Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
Vom Netzwerk:
verfügte, zeigte mir das Buch, und ich las voller Erregung die Namen darin – keine Barklays, keine Barklies, aber mehrere Barclays!
    Ich fand keinen Richard, schrieb aber trotzdem alle Adressen ab. Vielleicht waren diese Barclays miteinander verwandt und konnten mir sagen, wo mein Vater sich aufhielt. So wagte ich mich von neuem aus Chinatown hinaus.
    Das erste Haus, das ich mir ansah, gehörte einem reichen Mann. Es war eine Villa auf einem der Hügel. Ich bestaunte die Erkerfenster und Säulen, die Rasenflächen und Gartenanlagen, die Aussicht über die Bucht, und dachte: In so einem Haus würde mein Vater wohnen.
    Während ich so auf dem Bürgersteig stand und durch den schmiedeeisernen Zaun spähte, kam ein Polizist auf mich zu und wollte wissen, was ich da machte. Ich sagte ihm nicht die Wahrheit – hätte er mir geglaubt? Ich antwortete, daß ich lediglich das Haus bewunderte, worauf er mir befahl, »mich zu trollen«.
    Ich klapperte die ganze Stadt ab, mit der Straßenbahn und dem Cable Car, meistens aber, Meile für Meile, zu Fuß, durch fremde Viertel, wo die Hausfrauen mich mißtrauisch beobachteten. Immer wieder aber kehrte ich zu der großen Villa auf dem Hügel zurück, allmählich davon überzeugt, daß hier mein Vater sein mußte.
    Und dann, eines Tages, als ich an der Ecke stand und darüber nachgrübelte, ob ich mich an die Tür wagen sollte, sah ich ein Auto aus der Remise hinter der Villa kommen. Es fuhr langsam die lange Auffahrt zur Straße hinunter und hielt dort einen Moment an, so daß ich den Fahrer deutlich erkennen konnte.
    Es war der junge Mann aus dem Juwelierladen. Der junge Mann, der mein Herz gestohlen hatte. Mein Bruder.
    Dann war das hier also wirklich das Haus meines Vaters. Er mußte einer der reichsten Männer von San Francisco sein.
    Bei einem so vornehmen Haus konnte man nicht einfach an der Tür läuten, aber es gab einen anderen Weg, Verbindung mit meinem Vater aufzunehmen. Mr. Lee erlaubte mir freundlicherweise, sein Telefon zu benutzen. Er zeigte mir, wie man hineinsprach und wie man hören konnte, und auch, wie man die Vermittlung um eine Nummer aus dem Buch bitten mußte.
    Das erste Mal, als ich die Dame am anderen Ende sagen hörte: »Hier bei Barclay«, brachte ich kein Wort heraus. »Wer ist dort, bitte?« fragte sie. Ich lauschte voller Furcht. Dann hängte ich die Hörmuschel des Telefons wieder auf ihren Haken.
    Am nächsten Tag kam ich wieder, und wieder war Mr. Lee so liebenswürdig, mich telefonieren zu lassen. Dieselbe Dame antwortete. Auch diesmal fand ich nicht den Mut, etwas zu sagen.
    Bei meinem dritten Versuch war eine andere Dame am Apparat, und als ich stumm blieb, fragte sie: »Sind Sie das Mädchen, das den Ring meines Mannes gestohlen hat?« Ihre Stimme war kalt und hart. Ich legte den Hörer auf.
    Mr. Lee, still und sanft wie stets, empfahl mir, zu einer anderen Tageszeit anzurufen, wenn nicht nur die Damen zu Hause waren. Also ging ich abends noch einmal in seinen Laden, und dieses Mal nahm ein Mann ab. »Hier Gideon Barclay«, meldete er sich.
    Ich schwieg.
    »Hallo? Ist dort jemand?« er stockte und fuhr dann mit milderer Stimme fort: »Sind Sie das Mädchen aus dem Juwelierladen?«
    Ich wollte sprechen. Mein Mund stand offen, aber es kam kein Wort heraus. Ich konnte nur an die Polizisten denken, die mich gequält hatten, die Dienstmädchen und Hausfrauen mit ihren verächtlichen Blicken, die vielen Vorurteile, die mir in dieser großen Stadt begegnet waren. Ich legte die Hand auf die Brust und fühlte den Ring meines Vaters, schwer und tröstlich, das einzige Andenken an ihn, das ich besaß. Sie werden ihn mir wegnehmen.
    »Haben Sie etwas erfahren?« fragte Mr. Lee, als ich wortlos auflegte.
    Ja, ich hatte etwas erfahren. Gideon. Mein Bruder hieß Gideon.

    Ich schrieb an Reverend Peterson und teilte ihm mit, ich sei heil und gesund und hätte die Familie meines Vaters gefunden. Ich fragte, ob meine Mutter gestorben sei, und falls ja, wann, und ob sie ein würdiges Begräbnis gehabt hätte. Denn die Furcht, sie könnte nicht gestorben sein, begann mich zu quälen – was ist das für eine Tochter, die ihre schwerkranke Mutter im Stich läßt?
    Der Brief kam ungeöffnet zurück mit einer erklärenden Nachricht, geschrieben von einer der Damen aus der Missionsschule: Reverend Peterson sei an eine Mission im Inneren Chinas versetzt worden. Darum wußte ich nicht, ob meine Mutter bereits gestorben oder noch irgendwo am Leben war, allein und

Weitere Kostenlose Bücher