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Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)

Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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krank.
    Meine Arzneien verkauften sich nicht.
    Jeden Tag zog ich mit meinem Weidenkorb los und rief: »Gute Gesundheit zu verkaufen! Langlebigkeit für fünfundzwanzig Cents! Glückstee, nur einen Zehner!«
    Aber ich mußte erfahren, daß die Chinesen viele von den Heilmitteln meiner Mutter schon kannten. Sie brauten sie zu Hause selbst und sagten: »Warum dafür bezahlen?«
    Ich lernte auch, daß die Menschen nichts kauften, was sie nicht schon kannten. Ich ging in Kräuterläden und sah dort die rotgoldenen Packungen der Roter-Drache-Gesundheitsgesellschaft. Ganz Chinatown kaufte Roter-Drache-Heilmittel und -Tees. Es gab keinen Platz für jemand Neues.
    Schließlich mußte ich Gelegenheitsarbeiten annehmen, um Geld zu verdienen. Ich bügelte in Mrs. Pos Wäscherei, fegte Mr. Chins Teeladen, trug überlasteten Einkäuferinnen die Pakete. Das Geld benutzte ich dazu, weitere Zutaten für meine Heilmittel zu kaufen, mit denen ich mich spät nachts auf meiner Kochplatte herumplagte – ich pulverisierte, mischte, rührte, kochte, verschnitt. Mein Glaube an die Medizin meiner Mutter war so stark, daß ich überzeugt war, die schlechten Zeiten würden nicht lange dauern.
    Als ich das Zimmer über der Wäscherei nicht mehr bezahlen konnte, zog ich in den Keller. Dort hatte ich kein Fenster, und mein Lebensraum war so breit wie fünf meiner Füße vom Absatz bis zur Zehe und so lang wie sechs davon. Eine Strohmatte auf dem Boden wurde mein Bett. So, wie ich selbst immer tiefer sank, sank auch meine Wohnung in die Erde.
    Ältere Nachbarinnen, die ebenfalls in engen Kellerlöchern hausten, sagten, nun käme nur noch das Grab.
    Aber ich weigerte mich, die Hoffnung aufzugeben.

    Ich behielt meine kleine Kochplatte und schaffte es irgendwie, mir die Substanzen zu beschaffen, die ich für die Arzneien meiner Mutter brauchte. Ich ging nicht in die nächste Kirche, um milde Gaben zu empfangen, und ich bettelte nicht um Geld, denn meine Mutter hatte mich gelehrt, daß der Sarg immer noch besser sei als die Bettelschale. Es gab Wohltätigkeitsvereine in Chinatown, die Bedürftigen halfen, aber sie gehörten bestimmten Clans. Einwanderer aus Hongkong und Schanghai, Kanton und Peking, selbst aus winzigen Dörfern der inneren chinesischen Provinzen, fanden den Verein ihres Clans, wo man sich um sie kümmerte. Ich jedoch stammte aus Singapur und war keine Vollblutchinesin, darum blieb ich selbst in Chinatown eine Außenseiterin.
    Als ich selbst gar kein Geld für Essen mehr hatte, ging ich zur Hintertür von Wong Los Restaurant, mit dessen Koch ich mich angefreundet hatte. Er gab mir die Abfälle der Mahlzeiten des jeweiligen Abends: Hühnerknochen, an denen noch Knorpel hing, Fischhäute, abgehackte Gemüsestengel, die papierdünne Außenschale einer Zwiebel, einen Kohlstrunk. Ich kochte alles auf meiner kleinen Platte und hatte so jeden Abend eine Suppe.
    Weil die Menschen auf der Straße nur taube Ohren für mich hatten, überlegte ich schließlich, ob nicht Mrs. Po meine erste Kundin werden könnte. Von dem Bleichmittel ihrer Wäscherei waren ihre Hände immer rauh und rissig. Wenn ich sie überzeugen konnte, meine Mittel zu probieren, würden sie ihr gefallen, das wußte ich, und sie würde ihren Freundinnen und Kunden davon erzählen. Darum gab ich ihr eines Tages ein kleines Glas mit dem Balsam meiner Mutter. »Wie heißt das?« fragte sie. Insgeheim nannte ich es immer die Medizin, die die Wunden eines Amerikaners heilte, der nicht wußte, wer er war.
    »Es hat keinen Namen«, antwortete ich.
    »Wozu ist es gut?«
    Um die geschwärzten Füße meiner Mutter zu behandeln, wenn sie auf ihren Goldlilien nicht mehr laufen konnte.
    »Es heilt die Haut.«
    »Was noch?«
    »Das ist alles.«
    »Pah! Geld ausgeben für Medizin, die nur eine Sache kann?« Sie zeigte mir einen Krug mit Himmlischer-Roter-Drache-Salbe. »Lesen Etikett«, befahl sie stolz. Ich tat es und konnte gar nicht glauben, was die Salbe alles zu kurieren versprach – von Halsweh bis zu Hämorrhoiden.
    »Natürlich klappt nicht immer«, fügte Mrs. Po hinzu. »Ehemann immer noch schlimme Kopfschmerzen. Ich sage, nimm mehr Salbe, nimm ganzen Krug, dann Kopfschmerzen weggehen.«
    Ich bot ihr die schlichte Flasche mit dem Stärkungswein meiner Mutter an. »Bitte versuchen Sie das hier.«
    »Hmph! Habe etwas Besseres.« Sie holte es hinter der Theke vor. Es war in einer auffälligen roten Flasche mit goldenen Buchstaben.
    Ich probierte es. Als sie meine saure Miene

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