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Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)

Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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von ihm. Dann kam plötzlich ein Telegramm an meine Mutter, in dem er ihr mitteilte, er würde noch am selben Abend nach San Francisco aufbrechen. Aber das Schiff ging in einem Sturm auf dem Pazifik unter, und mit ihm die ganze Mannschaft und alle Passagiere. Wir dachten, er hätte den Ring bei sich gehabt. Und Sie sagen, er gab ihn Ihrer Mutter?«
    Ich suchte in seinem Gesicht nach Anzeichen von Mißtrauen und fand sie. Er nahm mir meine Geschichte nicht ab. Er glaubt, ich hätte den Ring seines Vaters gestohlen. Er wird einen Polizisten rufen. Ich verfügte über den Beweis, der seine Meinung ändern würde – den Brief seines Vaters an meiner Mutter. Aber dieser Brief eines Liebenden an seine Geliebte war nicht für die Augen Dritter bestimmt. Ich hatte meiner Mutter versprochen, ihn nur Richard zu zeigen, um ihm zu beweisen, wer ich war. Nicht einmal sein Sohn durfte ihn sehen, auch wenn er dann wissen würde, daß ich die Wahrheit sprach.
    Es gab aber noch einen anderen Grund, weshalb ich Gideon den Brief nicht zeigen konnte. Es stand etwas darin, Worte meines Vaters an meine Mutter, die Gideon verletzen und ihm weh tun würden. Und das war etwas, was ich niemals übers Herz bringen konnte.
    »Wie ist Ihr Name?« fragte er behutsam.
    Ich nannte ihn.
    »Vollkommene Harmonie – für ein vollkommen schönes Mädchen.« Und dann bot er mir ein äußerst ungewöhnliches Geschenk an. Er sagte, er wolle mir einen Sonntag kaufen.
    Er lachte über meine Verwirrung, warf den Kopf zurück und zeigte ebenmäßige, weiße Zähne. »Nein«, erklärte er, »nicht der Sonntag, der vor dem Montag kommt. Nicht ›sunday‹, sondern ›sundae‹ – mit ›e‹ am Ende. Ein Sundae ist ein Eiscremedessert. Ich wette, das haben Sie noch nie probiert – heißen Karamel-Sundae mit Nüssen, Schlagsahne und einer Kirsche obendrauf. Einen Block weiter gibt es einen Drugstore.«
    Dann erschreckte er mich aufs neue, indem er mir meinen Korb abnahm und ihn sich über die Schulter hängte – aii-yah! Ein Mann, der die Last einer Frau trägt! Die Leute glotzten, aber meinem Bruder schien es nichts auszumachen.
    Ich fragte ihn, wofür der Sundae gut sei, und er antwortete, gut zum Essen. Ich fragte: »Was heilt er? Einen Überschuß an Yang? Zuviel Hitze auf der Leber?«
    »Er heilt gar nichts. Er schmeckt nur gut.«
    »Und warum kaufen wir ihn dann in einem Drugstore? Ich dachte immer, dort gebe es nur Medikamente.«
    Er lachte wieder und schockierte mich, als er meinen Arm nahm. Aber dann fiel mir ein, daß er ja mein Bruder war und mich darum berühren durfte. Aber seine Hand verwirrte mich. Obwohl ich einen langärmligen Pullover trug, fühlte ich, wie die Hitze seiner Finger meine Haut verbrannte. Ich fühlte den leichten Druck, mit dem er mich festhielt. Er hatte etwas Besitzergreifendes, das mir gefiel und gleichzeitig Furcht einflößte. Meine Füße folgten ihm aus Höflichkeit, aber mein Herz ging freiwillig mit.
    Der Drugstore war ganz anders als die chinesischen Kräuterläden. Hier standen die Wände weit auseinander, die Decken waren hoch, und alle Medikamente wurden hinter Glas oder auf Regalen hinter der Theke aufbewahrt. Ich sah keine Fässer oder Säcke mit Kräutern, keine Waage zum Wiegen und Abmessen, keine Schaubilder mit den Meridianpunkten des menschlichen Körpers. Alles war peinlich sauber und ordentlich.
    Ich trat näher an den verglasten Ladentisch heran, weil ich neugierig auf die westliche Medizin war, und während ich über das nachgrübelte, was ich dort sah, sagte Gideon: »Wenn ich schon hier bin, kann ich auch gleich etwas gegen dieses Kratzen im Hals mitnehmen.«
    Er musterte die ausgestellten Hustenmittel, die es in allen möglichen Geschmacksrichtungen und Schachteln gab. Ich ließ meine Blicke über die unter Glas ausgestellten Arzneien wandern und staunte über die merkwürdigen Namen: Anti-Katarrh, Gas-Ex, Dis-Pepso. Es klang alles recht unangenehm. Vielleicht vertrieb der häßliche Name die häßliche Krankheit.
    Gideon bezahlte seine Hustenbonbons und führte mich hinüber zu ein paar kleinen Tischen, die um einen »Limonadenbrunnen« herum aufgestellt waren. Ich fühlte deutlich, wie andere Kunden uns anstarrten, aber Gideon merkte es entweder nicht oder kümmerte sich nicht um die mißbilligenden Blicke. Inzwischen war ich lange genug in San Francisco, um zu wissen, was sie bedeuteten: Weißer Mann mit Chinesin.
    Gideon rückte mir einen Stuhl zurecht und setzte sich dann ebenfalls. Er

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