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Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)

Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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würde das Kind der chinesischen Konkubine ihres Mannes mit offenen Armen aufnehmen?
    Als er den Ausdruck von Verwirrung und wohl auch Furcht in meinen Zügen bemerkte, sagte Gideon, als wolle er mich beruhigen: »Aber darüber können wir noch in aller Ruhe nachdenken.«
    »Hast du vielleicht«, fragte ich vorsichtig, »ein Bild von meinem Vater?«
    »Ja, das habe ich.« Er griff in seinen Blazer und nahm eine Brieftasche heraus. Unter den kleinen Bildern in Plastikhüllen, die er aufblätterte, erkannte ich ein Foto der blonden Olivia.
    »Nur eine Freundin«, hatte er gesagt. War es wirklich nicht mehr? Trug man das Bild von »einer Freundin« immer bei sich?
    »Hier.« Er lehnte sich über den Tisch, um es mir zu zeigen. »Wir drei am Strand.«
    Ich beugte mich näher und blickte ehrfürchtig auf das Bild.
    Mein Vater trug einen Hut, sein Gesicht lag im Schatten. Gideon war noch ganz klein, vielleicht zwei Jahre alt. Aber es war das Gesicht der Frau, das mich festhielt. Sie lächelte nicht, und es war, als wollte sie mir über die Jahre hinweg sagen: »Du und deine Mutter bekommt meinen Mann nicht.«
    Gideon sah mich lange und forschend an und sagte schließlich: »Behalt den Ring, Harmonie. Ich erfinde eine Geschichte für meine Mutter. Ich werde ihr sagen, ich hätte dich nicht gefunden.« Er fing an, Dollarnoten aus der Brieftasche zu ziehen.
    »Aii-yah!« rief ich. Ich wollte keine Wohltätigkeit, auch nicht von meinem eigenen Bruder.
    »Nun komm schon!« Er versuchte mir das Geld hinzuschieben.
    Ich war sprachlos vor Scham. Als er es merkte, steckte er das Geld wieder ein, saß schweigend da und starrte mich von neuem an. »Jemand wie du ist mir noch nie begegnet«, erklärte er leise. »Wenn deine Mutter auch so war, dann verstehe ich, daß mein Vater …« Er errötete und richtete sich abrupt auf.
    »Warum werden wir hier eigentlich nicht bedient?« Er winkte dem Kellner in der Ecke. »Ich brauche unbedingt meinen Sundae! Ah, da kommt er.« Er drehte sich wieder zu mir und schenkte mir ein Lächeln, in dem seine ganze Aufmerksamkeit lag. Es wärmte mein Herz und zerbrach es zugleich. Wie grausam war doch das Schicksal – zuerst zeigte es mir die Liebe, dann verbot es sie mir.
    »Vollkommene Harmonie«, sagte er nachdenklich. »Und wie hieß deine Mutter?«
    »Mei-ling, das heißt Strahlende Intelligenz.«
    »Die Chinesen haben wirklich eine ganz besondere Art, den Dingen schöne Namen zu geben. Als ich das letzte Mal in Hongkong war – ich arbeitete an einer Brücke, das ist nämlich mein Beruf, ich bin Ingenieur … das heißt«, er lachte und errötete wieder, »ich will erst noch einer werden!«
    »Wie ein Maschinist auf einem Zug?«
    »Wie? O nein. Ich arbeite im Tiefbau – Straßen, Brücken, Dämme. Ich gehe dorthin, wo die großen Industrien sind, also meistens nach Südostasien – Zinnminen, Gummiplantagen und ähnliches. Jedenfalls habe ich dort in Hongkong zu Abend gegessen, und das Restaurant hieß ›Die Pagode des Berges, der davonflog‹. Ein Amerikaner hätte es ›Harrys Kneipe‹ genannt.«
    Endlich erschien der Kellner an unserem Tisch, und ich erkannte sofort an seinem Gesichtsausdruck, daß etwas nicht stimmte. Der Laden war nicht voll, und trotzdem hatte er ewig gebraucht, bis er zu uns kam. Selbst jetzt näherte er sich nur widerwillig. Ich wußte, warum, und Gideon, das fühlte ich, wußte es auch.
    Er sagte zu dem Kellner: »Wir möchten bestellen.«
    Als der Mann nicht antwortete und uns weder fragte, was wir wollten, noch uns etwas empfahl, fragte Gideon: »Ist irgend etwas nicht in Ordnung?«
    Der Kellner sah auf mich und räusperte sich.
    »Wenn es ein Problem gibt«, meinte Gideon langsam, »würde ich es gerne wissen.« Er lächelte immer noch, aber ich sah, daß es eine Maske für den Ärger war, der hinter seinen grauen Augen wuchs.
    »Die Geschäftsführung hat ihre Vorschriften, Sir«, sagte der Mann. »Es tut mir leid, aber ich kann nichts …«
    »Bringen Sie uns zwei Schokoladen-Sundaes und zwei eisgekühlte Limonaden«, sagte Gideon mit ruhiger Stimme.
    Der Kellner räusperte sich wieder. »Hören Sie, wir wollen keinen Ärger …«
    »Und den bekommen Sie auch nicht, wenn Sie uns einfach unsere Bestellung bringen. Zwei Schokoladen-Sundaes und zwei eisgekühlte Limonaden.«
    »Bitte, Gideon«, sagte ich, »ich möchte keinen Sundae.«
    Aber er war zornig. »Harmonie, es geht ums Prinzip. Diese Bastarde kommen nur damit durch, weil kein Schwein sich dagegen

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