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Das Haus der Rajanis

Das Haus der Rajanis

Titel: Das Haus der Rajanis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alon Hilu
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zahlreichen Pflichten ich mir und steige hinauf zum Zimmer des Jungen. Er grüßt mich und erwidert den meinen Gruß mit feinem Lächeln, doch ist evident, dass allem Lächeln zum Trotze er noch immer sich hüllt in die Trauer um den Vater, der ihn niemals geliebt. In seiner neuen Einsamkeit indes welkt wie Blütenblätter er dahin, die von der Knospe getrennt.
    Heut ist die Araberin in mich gedrungen, jetzt, da die Belange des Gutes auf dem rechten Wege, die Orangen sich trefflich verkaufen und die Pachtbauern sich folgsam gebärden, solle wieder ich mit dem Jungen gehen und wie weiland die Tage unserer Eintracht und Zweisamkeit erneuern, da Salach kaum noch esse und beständig ihren Blick meide, weshalb ihr Herz, das Herzeiner Mutter, vom Aspekte der Psychose das Allerschlimmste ihr künde.
    Ich sagte ihr: «Dein Wunsch sei mir Befehl.»

    Der Engel hat abermals Mutter heut besucht, weshalb ich eilends in mein geheimes Königreich im Faltenwurf der Vorgänge gehuscht, um sie und ihre Taten auszuspähen, und da die Funken ihres Streites bis zum Himmel stoben, ward schon bald ich in Begriff über die Ursache des Haders und die Bedingung, die er erhoben, denn der gute Engel verlangt von Mutter nicht weniger, als dass sie den
Kushan
ihm aushändige, die Besitzurkunde über das Anwesen, derweil sie, mit der Pein eines waidwunden Tieres, ihn anfleht, dies nicht von ihr zu verlangen, denn wie soll in ihrem Witwenstande sie überleben ohne den einzigen Besitz, der ihr Auskommen sichert, unser gepriesenes Anwesen, doch ein ums andere Mal verlangte barsch er: «Der
Kushan
, der
Kushan»
, der
Kushan
, und stürzte in blinder Wut alsdann gar ihre Aussteuertruhe um, die Mutter seit dem Tage ihrer Hochzeit bewahrt, schüttete aus alles, was sich darin befand – das verblichene Brautkleid, ihren Schmuck und Tand, die Bücher ihrer Kindheit –, alldieweil seine Stimme in einer Weise und Höhe schrie, die ich niemals für möglich gehalten: «Wo hältst du den
Kushan
versteckt?», ja er fügte noch eine Verwünschung hinzu –
Sharmuta
, Hure –, indessen in die Vorhänge gehüllt ich in meinem Herzen bitterlich weinte, nicht um meine gepeinigte Mutter oder das Gut, in das die Klauen des Fremden sich geschlagen, sondern vielmehr über die letzten Tage meiner Kindheit, denn die Szenen und Schreckensbilder, derer in ebendiesen Tagen meine Augen Zeugen geworden, hatten mich eine hübsche Lektion gelehrtüber den wahren, unflätigen Gang des Lebens und die böse Natur des Menschen, über die Treulosigkeit meiner Mutter und die Niedertracht meines einzigen guten Freundes, und was blieb mir jetzt noch, als zu wachsen, bis meine Glieder und Organe sich gestreckt und nach dem Ebenbilde jener entwickelt, die meine Seele hasste?
    Am Ende machte der Engel des Verderbens sich davon, ohne den
Kushan
gefunden zu haben, der nach Recht und Gesetz von meinem heimgegangenen Vater unterzeichnet war, sodass ein jeder, der seine Hand auf dieses Schriftstück legte, öffentlich reklamieren könnte, der Besitzer des Gutes Rajani zu sein, seiner Obstplantagen und Gärten, seiner Bassins und Kanäle, die vom Fluss zum Meer strömen und vom Meer zum Fluss, doch bevor er ging, fügte drohend er noch hinzu, sie müsse alles, was sie ihm versprochen und geschworen, innerhalb einer Woche oder längstens deren zwei erfüllt haben.

Einige Stunden später
    Ich ließ die Araberin bang und besorgt im Erdgeschoss des Hauses zurück und stieg hinauf die dunklen, vernachlässigten Stufen der Treppe, wobei insgeheim ich all die Dinge mir notierte, die getan werden mussten: abnehmen die hässlichen, schweren Vorhänge, verbrennen die zerfallenden Teppiche, wegwerfen die Kissen, verziert mit asiatischen Stickereien, die Liebreiz wie Sinn ermangeln, und polieren den Boden und die Treppe. Derart in Gedanken gelangte zur Türe von Salachs Kammer ich.
    An dieselbige klopft ich und überredete unter Drängen und schmeichelnden, verführerischen Worten den Jungen, hinabzusteigenmit mir und ein wenig auf dem Anwesen uns umzutun. Ich sagte mir, wenn Salach erst sieht, wie kolossal verändert das Gut sich hat, wie alles blüht und sprießt, grünt und gedeiht, wird sein verhärtetes Herz öffnen sich und der Junge wieder essen und spielen und jauchzen wie die anderen Kinder seines Alters, werden auch unsere eigenen beglückten Tage wiederkehren, da wir in einer Freundschaft der Tapferen einander zugetan.
    Ich nahm seine Hand in die meine.
    Er zog seine Finger nicht aus meiner

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