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Das Haus der Rajanis

Das Haus der Rajanis

Titel: Das Haus der Rajanis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alon Hilu
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in Besonderheit über die Vision, die soeben er gehabt und dieseinen Körper hatte erzittern und erbeben lassen. Zögernd ließ erweichen er sich und begann zu sprechen. Die Schreckensbilder, die einstmals ihn des Nachts heimgesucht, befielen nun während der Stunden des Tages ihn. Albträume seien zu Wachträumen geworden. Er könne mit seinen Augen sie sehen, wahrhaftig und lebendig wie Tiere auf dem Felde, umherirrend wie Insekten im Erdreich. Wären all diese ersprießliche Visionen, würde mit Freude er sie wahrnehmen. Doch seien sie allesamt schrecklich und grauenerregend.
    Er sah auf zu mir mit runden, traurigen Augen.
    Ich sagte: «Sprich weiter.»
    Also fuhr fort er, diese absonderlichen Schimären zu beschreiben, eine davon die Vision eines großen und grässlichen Krieges, um dessen Grund und Ursache er nicht wusste, der ihm nichtsdestotrotz jedoch lebendig und atmend vor Augen sei. Er könne die Araber, sein Volk, eingeschlossen in ihren belagerten Häusern sehen, derweil die Juden mit Katapulten und anderem Kriegswerkzeug Feuer auf sie herabregnen ließen. Auch hätten die Juden einen Feuerwurm zu dem Behufe, zwischen den Häusern zu graben und Breschen und Öffnungen in diese zu schlagen. Sein Schlund spucke Funken und er zerstöre und töte nach Belieben. Mit eigenen Augen habe er, Salach, gesehen, wie der Wurm die Glieder eines neugeborenen Säuglings verschlungen und ein kleines Mädchen auf einem Auge geblendet.
    Ich wollte den Fluss seiner Worte eindämmen, aus dem Grunde, da die Juden unter allen Völkern des Erdenrunds bekannt für ihre hervorstehende Sittlichkeit sind. Selbst wenn sie, gleichwohl ob jetzt oder eines fernen Tages, über ein Kriegsgerät verfügten wie jenes, das er Feuerwurm genannt, würden niemals sie damit zu den Arabern gehen und diese töten. Da aber erinnerte ich mich jenes Doktors aus Wien und tat meinen Mundnicht auf, sondern fuhr fort, dem Jungen mit größter Aufmerksamkeit zu lauschen.
    Er sagte: «Als wir eben einträchtig ausschritten, sah plötzlich von Angesicht zu Angesicht ich in das todbringende Augenpaar des Feuerwurms, und zwanzig Juden ritten auf ihm und trachteten danach, mich zu töten. Meine Haut sträubte sich, und meine Seele erschauderte.»
    Er verstummte für einen Augenblick, fragte dann: «Bin verrückt ich?»
    Ich sagte: «Ich weiß es nicht.»
    Er sagte: «Siehst das große Haus des Gutes Rajani du?»
    «Ich sehe es.»
    Mit fiebriger Zunge, gefangen in den Halluzinationen einer verwirrten Seele, sagte er: «In jenem großen Krieg werden die Juden das Gut zerstören und eines Tages auf seinem Land drei Türme errichten, allesamt sehr hoch, ihre Spitze in den Wolken, und einer der Türme wird die Form eines Quadrats, der zweite die Form eines Dreiecks und der dritte die eines Kreises haben. Ganz aus Glas werden die Türme gemacht sein, von der Spitze bis zum Fundament, ihre Scheiben miteinander verbunden durch eine Art weißes, gleißendes Schloss. Die hellhäutigen, blond gelockten Kinder der Juden und ihre unzüchtig bekleideten Mütter werden sorglos zwischen den Türmen flanieren, werden mit ihren Füßen die ausgetrocknete
Biara
zertreten, die gerodeten Obstplantagen und die untergepflügten Gärten, ohne das Geringste zu wissen von Salach, Afifa und Amina, von Mustafa Rajani, möge seine Seele in Frieden ruhen, die einst, vor langer, langer Zeit hier gelebt, hier geliebt und hier für immer begraben.»

15. Januar 1896, Neve Shalom
    Gute Nachrichten. Salim und Salam haben Erkundigungen angestellt und mir angezeigt, dass eine Dieselmaschine, wie ich sie erheische, an einem Brunnenschacht in der Nähe eines Araberdorfes namens Sheikh Munis zu finden ist. Dorthin ritten heute wir, querten den Fluss El-Ouja und gelangten zu den großen, stattlichen Häusern des Dorfes, erbaut auf einem lieblichen Hügel und umgeben von Pflanzungen in großer Zahl. Nie zuvor hatte eine derart prächtige und schöne Ansiedlung ich in diesem Lande gesehen. Sogar die arabischen Frauen, der Lasten viele auf ihren Köpfen tragend, schritten mit der Anmut und Eleganz europäischer Frauen einher.
    Salim und Salam feilschten lange mit dem Effendi, bis der Preis der Maschine ward beschlossen, der auf fünfundzwanzig Franken gutes, bares Geld sich belief. Keine Stunde ging ins Land, bis wir sie an dem Schöpfrad der
Biara
auf dem Gute der Rajanis installiert. Das alte, dämlich dreinschauende Maultier verfolgte unser Tun mit weit aufgerissenen Augen. Ich gab es Salim und

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