Das Haus Der Schwestern
sie selbst völlig unverständlich gestürzt war.
»Mr. Leigh kann eigentlich nichts dagegen haben«, meinte Sarah und hörte sich dabei allerdings ziemlich unbehaglich an. »Diese Sachen gehören alle Mrs. Leigh.«
»Was wir hier tun, geht auf mein Konto«, sagte Frances. »Machen Sie sich keine Sorgen, Sarah!«
Ihre Blicke glitten an den Schranktüren entlang. Victoria mußte über eine Garderobe verfügen, die für eine ganze Kleinstadt ausgereicht hätte.
»Sie müssen uns helfen, hier ein paar Kleidungsstücke auszusortieren, Sarah«, fuhr sie fort, »wir können ja nie im Leben alles mitnehmen, wir könnten es gar nicht unterbringen bei uns. Wir brauchen Wäsche, Strümpfe, Schuhe, ein paar Tageskleider, leichtere und wärmere, einen Mantel, eine Jacke und ein paar Pullover. Und lange Hosen, wenn Victoria so etwas hat.«
Lange Hosen hatte sie nicht, aber Sarah sagte, sie werde ansonsten eine ausreichende Garderobe für sie zusammenstellen. Frances ließ Sarah und Adeline packen, setzte sich auf die Fensterbank und rauchte eine Zigarette. Sie sah, daß Sarah den Mund zum Protest öffnete, aber offenbar wagte sie dann doch nicht, etwas zu sagen, denn sie schloß ihn wortlos wieder.
Schließlich, während sie Pullover zusammenfaltete und Seidenstrümpfe in eine Tasche ordnete, fragte sie wie nebenbei: »Werden sie sich scheiden lassen — Mr. und Mrs. Leigh?«
Adeline sah zu Frances hin, Frances zuckte mit den Schultern.
»Es sieht wohl so aus, als ob wir das tun werden«, sagte John und trat ins Zimmer. Er wies auf die Koffer und umherliegenden Kleidungsstücke. »Was ist denn hier los?«
Sarah bekam sofort rote Flecken im Gesicht. »Miss Gray sagte . . . ich dachte... wir . . .«, stotterte sie.
Frances rutschte von ihrer Fensterbank. »Ich habe Sarah angewiesen, uns zu helfen. Victoria braucht ein paar Sachen.«
»Natürlich«, sagte John, »das ist doch selbstverständlich.«
Er trug Reithosen, Stiefel, einen Pullover. Im vergangenen Sommer war sein Gesicht stark gebräunt. Seine Haare fingen überall an, grau zu werden. Er wirkte überraschend entspannt an diesem Morgen, und er hatte offenbar noch nichts getrunken. Er erinnerte in diesem Moment keineswegs an einen Mann, von dem man sich vorstellen konnte, daß ihm seine Frau davonlief, weil sie das Leben mit ihm nicht ertrug.
»Während hier gepackt wird«, sagte er, »können wir uns vielleicht irgendwo unterhalten, Frances?«
Adeline warf ihm einen scharfen Blick zu.
Frances sagte gleichmütig: »In Ordnung.« Und sie verließ mit ihm das Zimmer.
»Es ist besser, daß es so gekommen ist«, sagte John. »Besser für Victoria. Sie wird ihren Frieden finden.«
Sie saßen auf der rückwärtigen Terrasse, von der aus man den Blick über den Park hatte. Frances war sehr lange nicht mehr hiergewesen; ihre Treffen mit John hatten an anderen Orten stattgefunden, und sie hatte Scheu verspürt, in das Haus zu kommen, in dem ihre Schwester lebte. Sie merkte, daß der Park bei weitem nicht mehr so gepflegt aussah wie zu den Zeiten, als Johns Mutter noch gelebt und das Sagen gehabt hatte.
Zu Beginn ihrer Ehe hatte Victoria bestimmt den Ehrgeiz und die Energie gehabt, in jeder Hinsicht in die Fußstapfen ihrer nun inzwischen verstorbenen Schwiegermutter zu treten; aber in den letzten Jahren hatte sie sich mit zu vielen persönlichen Problemen herumschlagen müssen, als daß sie sich noch um Haus und Park hätte kümmern können.
Natürlich hatte das Personal von sich aus nicht mehr gemacht als unbedingt notwendig. Die meisten Büsche wucherten wild und machten manchen Weg unpassierbar. Sommerstürme hatten Äste und Zweige von den Bäumen gerissen, und niemand hatte sie von den Rasenflächen wieder aufgesammelt. Das Gras stand zu hoch, in den Beeten verdeckte das Unkraut die wenigen Blumen, die sich noch behaupteten. Frances fragte sich, ob John das bemerkte und es ihm gleichgültig war, oder ob er es gar nicht sah.
Sie saßen in geflochtenen Weidenstühlen und tranken jeder einen Whisky. Frances hatte den Verdacht, daß John ihr Aufkreuzen auf Daleview schon deshalb begrüßte, weil es ihm die Gelegenheit gab, bereits am Vormittag mit Fug und Recht einen Whisky zu trinken.
Als sie hinausgingen, hatte er sie im Wohnzimmer küssen wollen, aber sie hatte abgewehrt. »Nicht jetzt . . .«
»Warum nicht? «
»Es kommt mir einfach nicht richtig vor«, hatte sie gesagt, und er hatte gelacht, aber wohl verstanden, was in ihr vorging.
»Du mußt dich
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