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Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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fragte er.
    »Wir haben Einquartierung. Die beiden Kinder einer Freundin aus London. Ihre Eltern wollten sie vor den Bomben in Sicherheit bringen.«
    Er nickte. »Schrecklich. Es muß schlimm zugehen in London. Wir können froh sein, hier oben zu leben.«
    »Ja . . .«
    Sie standen einander unschlüssig gegenüber. John war tropfnaß, und schließlich sagte Frances: »Du solltest nach Hause und dich umziehen. Du wirst sonst auch noch krank.«
    Er schaute an sich herab. »Ich muß aussehen wie ein Putzlappen, was? In Ordnung, du hast recht, ich gehe besser.«
    Flüchtig berührte er ihren Arm. »Sehen wir uns eigentlich einmal wieder?«
    Sie warf einen raschen Blick auf ihren Vater. Charles hielt die Augen geschlossen und atmete keuchend. Er bekam wohl nichts mit von dem, was um ihn herum geschah.
    »Ich weiß nicht.« Unwillkürlich senkte sie die Stimme dennoch zu einem Flüstern. »Wir sollten irgendwann damit aufhören. Findest du nicht?«
    »Ich bin bald geschieden. Zum ersten Mal würden wir niemanden mehr hintergehen. Und da willst du Schluß machen?«
    »Vielleicht liegt es genau daran, John. An eurer bevorstehenden Scheidung. Ich frage mich, wieviel Schuld mich am Zerbrechen eurer Ehe trifft, und das macht alles etwas bitter für mich.«
    »Dich trifft keine Schuld.« Er streckte die Arme aus und zog sie an sich. »Bilde dir das nicht ein. Die Probleme zwischen Victoria und mir liegen woanders. Du hast nichts damit zu tun.«
    Sie spürte seinen Atem über ihrem Ohr. Seine Umarmung fühlte sich warm an, obwohl er triefte vor Nässe. Es hatte ihr immer gefallen, von ihm umarmt zu werden, und es gefiel ihr auch jetzt. Wie sollte sie ihm erklären, daß es auch mit ihrer beider fortschreitendem Alter zusammenhing, wenn sie manchmal meinte, es sei besser, diese leidenschaftlichen Begegnungen in irgendwelchen Hütten zwischen Wiesen und Feldern zu beenden?
    In drei Jahren wurde sie fünfzig. Es war nicht so, daß sie gemeint hätte, in diesem Alter nicht länger das Recht auf erotische Freuden zu haben. Aber mit der Art dieser Freuden kam sie schlechter zurecht. Es war etwas anderes, ob man sich zu heimlichen Treffen mit einem Mann davonschlich, wenn man dreißig war, oder ob man es mit fünfzig tat. Mit dreißig war es romantisch. Mit fünfzig wurde man das Gefühl dabei nicht los, irgendeine entscheidende Kurve im Leben nicht gekriegt zu haben. Würden sie sich mit achtzig auch noch in der alten Hütte herumwälzen und sich danach Spinnweben oder Strohhalme aus den eisgrauen Haaren entfernen?
    Scheidung hin oder her: Als Johns ehemalige Schwägerin konnte sie auch jetzt nicht einfach auf Daleview aufkreuzen und mit ihm vor den Augen der erstaunten Dienerschaft ins Bett gehen. Es wäre in der Grafschaft herum, ehe sie beide überhaupt nur bis drei würden zählen können. Ihren Vater würde es umbringen, und Victoria würde argwöhnen, daß das seit Jahren so ging, und ein Drama ungeahnten Ausmaßes inszenieren.
    Nein, ihre Treffen würden für alle Zeit konspirativ bleiben müssen, und sie fühlte sich zunehmend unbehaglich dabei. John würde es nicht verstehen, kein Mann würde es verstehen, aber es spielten auch ganz prosaische Gründe eine Rolle. Viel mehr als früher hätte sie heute ein richtiges Bett bevorzugt, ihr eigenes oder seines, aber jedenfalls nicht das altersschwache Gestell in der Hütte, auf dem schon Generationen von Landarbeitern ihre Nachkommen gezeugt hatten. Sie wünschte sich fließendes, warmes Wasser danach, sie war es leid, in ihre Kleider zu steigen und sich klebrig zu fühlen. Auch hätte sie sich häufig gern mit John unterhalten, mit ihm zusammen ein paar Zigaretten geraucht und nicht mit ihm geschlafen.
    Die Tatsache aber, daß sie einander so selten sahen, setzte sie unter Druck; da sie nie wußten, wann sich die nächste Gelegenheit bot, wäre es ihnen wie Vergeudung vorgekommen, nicht miteinander ins Bett zu gehen. Doch dadurch fehlte ihnen wieder etwas anderes. Genaugenommen fehlte es Frances. John, so hatte sie den Eindruck, war durchaus zufrieden mit der Situation.
    Sie löste sich aus seiner Umarmung. Was wußte sie, wieviel Charles in seinen Fieberträumen vielleicht doch mitbekam? Sie trat einen Schritt zurück.
    »Ich brauche ein bißchen Zeit. Ich bin mir im Moment nicht im klaren darüber, was ich . . . wirklich will.«
    Er nickte. »Laß dir Zeit, Frances. Aber nicht zuviel. Wir werden nicht jünger.«
    Damit hat er so verdammt recht, dachte sie bitter und betrachtete

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