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Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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stärker, Marguerite. Sie sollten noch etwas hierbleiben. Sie durchweichen völlig, bis Sie im Dorf sind! «
    »Sie wollen nach Leigh’s Dale?« fragte John. »Da könnte ich Sie ja schnell hinfahren.«
    »Oh, machen Sie sich keine Umstände meinetwegen!« protestierte Marguerite. »Sie müssen sicher in eine völlig andere Richtung. «
    »Mit dem Auto ist es ein Katzensprung nach Leigh’s Dale. Kommen Sie, Miss . . .«
    »Madame Brunet.«
    »Ich bin John Leigh. Es macht mir wirklich nichts aus, Sie zu fahren.«
    Sie gefällt ihm, dachte Frances, einen solchen Eifer hat er lange nicht mehr an den Tag gelegt.
    »Nehmen Sie’s nur an, Marguerite«, riet sie. »John ist kein besonders höflicher Mensch. Er würde es nicht anbieten, wenn er es nicht wollte.«
    »Es wäre sehr nett von Ihnen«, sagte Marguerite leise.
    John öffnete die Haustür. »Gehen wir. Frances, wenn es Probleme gibt mit Charles und du Hilfe brauchst, dann rufe mich an.«
    »Mach’ ich. Danke.«
    Sie sah den beiden nach, wie sie zum Auto rannten und dabei kaum den riesigen Pfützen auf dem Hof ausweichen konnten. Der Regen kam jetzt wie eine dicke, graue Wand herab. Allmählich lebte auch der Wind auf und zerrte an den triefenden Ästen der Bäume. Nasses Laub bedeckte den Boden. Frances fröstelte. Sie schloß die Tür, lauschte auf Victorias Klagelaute, die wie die eines kranken Tieres klangen.
    Irgend jemand müßte sich um sie kümmern, dachte sie schuldbewußt.
    Aber sie konnte es jetzt einfach nicht. Sie wollte nichts mehr sehen, nichts mehr hören. Sie würde sich in ihr Zimmer zurückziehen und für den Rest des Tages für niemanden mehr zu sprechen sein.

    November 1940 bis Juli 1941

    Es verwunderte sie alle, daß Charles den Winter überlebte. Er hatte sich eine schwere Lungenentzündung zugezogen und fieberte wochenlang.
    Im November meinte der Arzt, der jeden Tag kam, um nach dem Patienten zu sehen: »Das Schlimme ist, er hat so wenig Lebenswillen. Er kämpft nicht. Und das mindert seine Chancen.«
    Frances tat für ihren Vater, was sie konnte, und auch Victoria wachte ganze Nächte lang an seinem Bett. Sie geriet jedesmal in Panik, wenn jemand von Charles’ möglichem Tod sprach oder wenn sich sein Zustand wieder einmal dramatisch verschlechterte.
    »Er darf nicht sterben! Er darf nicht sterben!« rief sie dann.
    »Er ist sehr alt«, sagte Frances, »und seit bald fünfundzwanzig Jahren trauert er um Mutter. Es wäre vielleicht das beste für ihn, wenn er sterben könnte.«
    Victoria wurde weiß im Gesicht. »Wie kannst du das sagen?« fuhr sie ihre Schwester an.
    Frances konnte sich vorstellen, was in ihr vorging: Charles verzieh zwar Victoria nicht das Scheitern ihrer Ehe, aber für sie war er trotzdem der einzige Mensch, den sie hatte. Sie war sein kleines Mädchen, auch wenn sie ihn enttäuscht hatte. Er hielt seine Hand über sie, auch wenn er schimpfte und seinen Ärger zeigte. Es graute Victoria bei der Vorstellung, allein mit Frances in Westhill zurückzubleiben, mit ausgerechnet dieser Schwester als letztem Ansprechpartner aus der Familie. Frances wußte, daß Victoria Angst vor ihren kühlen Augen und ihrer scharfen Stimme hatte.
    Sie wird nie erwachsen, dachte sie manchmal verächtlich, aber dann gab es auch wieder Momente der Reue, in denen sie versuchte, nett zu Victoria zu sein. Meistens mißlang das, weil Victoria nur den etwas ruppigen Ton wahrnahm, nicht den freundlich gemeinten Inhalt dessen, was Frances sagte. Letzten Endes mißverstanden sie einander immer wieder gründlich, und zum Schluß hatten sie wieder Streit.
    Das Jahr 1941 begann grau und unfreundlich, und alle waren deprimiert, weil es im Kriegsgeschehen nur schlechte Nachrichten gab. Bis auf gelegentliche kleine Rückschläge siegten und siegten die Deutschen an allen Fronten. Es gab Leute, die prophezeiten, die Deutschen seien dabei, sich zu übernehmen, und die Siegessträhne könne nicht anhalten, doch vorläufig schien Hitler das Glück für sich gepachtet zu haben.
    Im November hatten seine Bomber die unweit Birmingham gelegene Stadt Coventry angegriffen und nahezu vollkommen zerstört. Es war der schwerste Luftangriff in der bisherigen Kriegsgeschichte gewesen. Ganz England hatte wochenlang wie unter Schock gestanden. Und auch jetzt noch bombardierten deutsche Flieger englische Großstädte, vor allem London. Allerdings fanden sie einen zähen Gegner in der Royal Air Force.
    »Unsere Jungs holen jeden zweiten von denen unter«, hieß es voll

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