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Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Tag. Hatte die Wohnung, die Siedlung, die ganze Gegend als häßlich bezeichnet. Hatte Marjorie gesagt, sie sehe aus, als habe sie seit Jahren nicht mehr gelacht. Wütend und laut war sie geworden, verletzend. Sie schämte sich.
    »Du hast viel zu früh dort angerufen!« sagte Marjorie. »Um sieben Uhr morgens. Das gehört sich nicht.«
    »Sie klang nicht verschlafen«, entgegnete Laura. Sie setzte sich ihrer Schwester gegenüber an den Tisch. »Marjorie«, sagte sie leise, »wegen gestern... es tut mir leid. Ich war zu heftig. Was ich da in meinem Ärger...«
    »Schon gut. Wir müssen nicht mehr davon sprechen.«
    »Aber es tut mir leid, daß ich ...«
    »Laura!« sagte Marjorie scharf. »Hör auf! Wenn du einmal in deinem Leben wirklich wütend wirst und sagst, was du denkst, dann solltest du am nächsten Tag nicht schon wieder alles zurücknehmen. Herrgott noch mal, steh zu deiner Wut und allem, was du mir an den Kopf geworfen hast! «
    »Ich ..«
    »Du bist so ein entsetzlich guter Mensch, Laura. Du wirst es vielleicht nicht glauben, aber das kann einen ganz fertigmachen. Immer lieb. Immer nett. Immer freundlich, selbst wenn einer auf dir herumtrampelt. So warst du schon immer. Weißt du, wozu du die Leute ringsum damit provozierst? Du bringst sie dazu, dich immer schlechter zu behandeln. Man wird nämlich ganz verrückt bei soviel Güte. Und man will einfach sehen, wie weit man gehen kann. Die ganze Zeit denkt man, verdammt noch mal, sie wird doch endlich einmal sauer werden! Sie wird fluchen und schimpfen und mit voller Kraft eine Tür zuschmettern. Sie wird sich doch endlich einmal nicht mehr treten lassen! Aber nichts passiert. Du machst große, traurige Augen, ziehst den Kopf ein, guckst wie ein geprügelter Hund — und sagst nichts! «
    Laura spürte, wie sie blaß wurde. Auf diesen Vorwurf war sie nicht gefaßt gewesen. Ihr Mund fühlte sich plötzlich trocken an.
    »Du merkst gar nicht, wie dich die Leute verachten«, fuhr Marjorie erbarmungslos fort. »Du denkst, sie mögen dich, weil du immer so nett lächelst und ja und amen sagst zu allem, was sie dir antragen. In Wahrheit finden sie dich ziemlich langweilig. Frances Gray machte da übrigens keine Ausnahme.«
    »Marjorie!« flüsterte Laura geschockt.
    »Mag sein, daß sie am Anfang noch irgendwie Mitleid hatte. Du warst ja ein Kind, und bei einem Kind mißt man mit anderen Maßstäben. Aber du wurdest älter und älter — und irgendwann ist sie mit dir umgegangen wie mit einem Putzlappen!«
    »Das ist nicht wahr!«
    »Hör doch mal auf, dir ständig etwas in die eigene Tasche zu lügen, Laura! Eine Frau wie Frances Gray suchte Menschen, an denen sie sich reiben und messen konnte — nicht solche, die nachgaben wie eine Schaumstoffwand. Du warst natürlich bequem für sie. Du hast alles gemacht, was im Haus anfiel, und dir die Beine ausgerissen, um sie zufriedenzustellen. Du hast an langen, einsamen Abenden mit ihr geplaudert und dafür gesorgt, daß ihr nicht die Zeit zu lang wurde in dem großen, leeren Haus. Du hast ihr morgens den Kaffee gekocht, ihr den Whisky herangeschleppt, den sie eimerweise trank, und du hast alle ihre Launen ertragen. Und für all das hat sie dich verachtet.«
    »Für all das hat sie mir Westhill vererbt.«
    Marjorie lachte. »Na und? Irgend jemandem mußte sie es vererben, und außer dir war ja keiner da. Im Grunde hat sie dir doch nur einen Klotz ans Bein gebunden, dich in einen Kampf gezwungen, den du nun letztlich verlierst.«
    »Bist du fertig?« fragte Laura tonlos.
    »Eigentlich wollte ich nur sagen, daß ich dich gestern abend recht gut fand«, sagte Marjorie, und sie klang plötzlich sanfter, fast friedfertig. »Ich wußte vorher gar nicht, daß du so heftig werden kannst.«
    Heftig? Von dem Zorn des gestrigen Tages fand Laura nun keine Spur mehr in sich. Sie kam sich schlaff vor wie eine Stoffpuppe, an der Arme und Beine haltlos herabbaumeln.
    »Du weißt nichts von Frances Gray und mir«, sagte sie müde, »nichts von dem, was uns verbunden hat, gar nichts.«
    »Ich habe heute nacht nachgedacht über das, was du gesagt hast«, erklärte Marjorie, »und in manchem hast du recht. Mein Leben verläuft ziemlich trist. Ich dachte, wir beide könnten vielleicht an Silvester ausgehen?«
    Laura starrte ihre Schwester verblüfft an. Daß Marjorie an Silvester ausgehen wollte, war etwa ebenso überraschend, als habe die Queen angekündigt, sie werde für den Rest ihres Lebens in ein katholisches Kloster

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