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Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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meinte Frances.
    George nickte. »In Ordnung. Offenbar hat Mutter ohnehin gerade ihre Klavierstunde. Wir sehen uns dann später.« Er lächelte Alice zu. Frances erkannte Anbetung in seinen Augen. Sie hatte das bedrückende Gefühl, daß er der Verliebtere von beiden und der Unterlegene war. Alice Chapman hatte ihn fest im Griff.
    Victoria hatte sich verzogen, jedenfalls war keine Spur mehr von ihr zu sehen. Alice setzte sich auf das Steinmäuerchen am Ende des Gartens. Westhill lag auf einem Hügel, und von hier oben hatte man einen herrlichen Blick über die sich auf der anderen Seite anschließenden Täler und auf die Stallungen und die Häuser der Farmarbeiter, die zu Westhill gehörten.
    Alice sah sich um und atmete tief durch. »Es tut gut, draußen zu sein. Die Bahnfahrt war endlos. In Wensley, oder wie der Ort heißt, hat George dann eine Kutsche gemietet.« Sie lächelte. »Wie idyllisch es hier ist!«
    »Manchmal ist es auch ein bißchen langweilig«, meinte Frances. Sie setzte sich neben Alice. »Woher kennen Sie meinen Bruder?«
    »Wir haben uns bei einer Demonstration kennengelernt. Na ja, das ist untertrieben. Es war schon eher eine richtige Schlacht.« Sie lachte. »Sie sehen ja ganz fassungslos aus, Frances! Ich glaube, Sie versuchen gerade, sich Ihren Bruder als Teilnehmer einer Demonstration vorzustellen. Aber seien Sie ganz beruhigt. Er hatte nichts damit zu tun. Wir sind in den Unterricht in Eton eingedrungen und haben unsere Plakate entrollt. Es gab ziemlichen Tumult.«
    »Wer ist wir ?«
    »Die WSPU. Von der haben Sie doch sicher schon gehört?«
    Natürlich hatte sie von der WSPU gehört, der »Women’s Social and Political Union«. Es war die Partei der militanten Frauenrechtlerinnen um Emmeline und Christabel Pankhurst, die für das Frauenwahlrecht stritten — mit zunehmend radikalen Mitteln. Es wurde viel von ihnen gesprochen, zumeist in abfälliger Weise. Die meisten Männer verhöhnten sie mit derben Worten — von »Mannweibern« war die Rede, von »unbefriedigten Schlampen«, von »häßlichen Krähen« und »armen Irren«.
    Frances konnte nicht recht verstehen, weshalb manche Männer so taten, als müßte das Empire zusammenbrechen in dem Fall, daß die Frauen das Wahlrecht bekamen. »Nächstens soll noch mein Hund über das politische Schicksal Englands mitbestimmen! « hatte sich der alte Arthur Leigh kürzlich erst in gesellschaftlicher Runde entrüstet und dabei selber wie ein gereizter Hund geknurrt. Alle Anwesenden hatten gelacht und applaudiert, auch die Frauen. Frances wußte, daß selbst ihr Vater, Tory-Wähler zwar, aber seiner Einstellung nach im Grunde ein Liberaler, den Suffragetten — wie man sie nach ihrem Ziel, dem Wahlrecht »Suffrage«, nannte — ablehnend gegenüberstand.
    »Politik ist nichts für Frauen«, sagte er immer. Maureen hatte sich nie dazu geäußert, was Frances als stillschweigende Zustimmung gedeutet hatte. Sie nahm sich nun aber vor, ihre Mutter unter vier Augen noch einmal danach zu fragen.
    »Ich habe noch nie jemanden gekannt, der zur WSPU gehörte«, sagte sie nun.
    »Ich nehme an, Ihre Eltern achten sehr darauf, mit wem Sie Umgang pflegen«, meinte Alice spöttisch, »und Frauenrechtlerinnen dürften da kaum erwünscht sein.«
    »Meine Eltern achten auch sehr darauf, mit wem George Umgang hat.«
    »Ja«, sagte Alice, »ich kann es mir denken. Sie werden alles andere als entzückt sein, wenn er mich ihnen vorstellt.«
    Das befürchtete Frances auch. Es wunderte sie darüber hinaus, weshalb George sich in dieses Mädchen verliebt hatte. Alice war attraktiv und sicher sehr klug, aber Frances konnte sich nicht vorstellen, daß George nicht größte Vorbehalte gegen ihre Überzeugung hegte.
    »George...«, begann sie vorsichtig, und Alice lachte erneut.
    »Ich weiß. Er ist überhaupt nicht einverstanden mit dem, was ich tue. Wahrscheinlich hofft er, daß ich zur Vernunft komme, wenn ich älter werde, aber ich bin fast sicher, daß er da auf dem Holzweg ist. Vielleicht wird er ja vernünftig.«
    »Möchte er Sie heiraten?« fragte Frances neugierig.
    Alice zögerte. »Ja«, sagte sie schließlich, »das möchte er. Ich weiß nur noch nicht, ob ich das auch will.«
    Während Frances noch über die Ungeheuerlichkeit dieser Aussage nachdachte — eine Frau, die sich nicht glücklich schätzte, daß George Gray sie heiraten wollte! —, kramte Alice in ihrer Tasche und zog eine flache, braune Schachtel hervor, der sie eine Zigarre entnahm.
    »Möchten

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