Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
Vom Netzwerk:
als Frances hereinkam. Draußen war es inzwischen dunkel, der Regen rauschte wie eine Wand herab.
    »Du wolltest mich sprechen, Großmutter?« sagte Frances.
    Kate legte das Buch zur Seite, in dem sie gelesen hatte. Sie nickte. »Ich wollte dir sagen, daß ich deinen Entschluß für gut halte. Es ist richtig, was du vorhast. Laß dich nicht umstimmen, auch wenn deine Mutter in den nächsten Tagen noch ziemlich viel jammern wird.«
    Frances setzte sich auf das Bett ihrer Großmutter. Sie war nicht weniger verwirrt und zerrissen als vor ihrem Entschluß, nach London zu gehen. »Ich hoffe, ich tue das Richtige, Großmutter. John Leigh hat mich gefragt, ob ich ihn heirate. Ich habe gesagt, ich kann das jetzt nicht entscheiden.«
    »Wahrscheinlich kannst du das auch nicht. Dann war es richtig, ihm das zu sagen.«
    » Ich glaube, das hat gar nichts mit ihm zu tun. Nur mit mir. Mein Leben wäre so festgeschrieben, wenn ich jetzt heiratete. Ich habe das Gefühl, ich will vorher noch eine andere Seite des Lebens kennenlernen. Eine, von der ich jetzt nichts weiß, in der nichts vorhersehbar ist. Alles andere ... scheint mich zu ersticken. Glaubst du, das ist normal?«
    »Ob normal oder nicht«, sagte Kate, »du mußt jedenfalls tun, was du willst. Was du wirklich willst. Nicht, was bestimmte gesellschaftliche Normen dir auferlegen. Verstehst du? « Sie lächelte. »Du bist ziemlich vorbelastet in dieser Hinsicht. Deine Eltern haben sich über alle guten Sitten hinweggesetzt, als sie heirateten. Du bist sehr frei aufgewachsen, wenn man von der Zeit absieht, in der sie dich auf diese gräßliche Schule geschickt haben, aber das hat dich Gott sei Dank nicht mehr verbiegen können. Wahrscheinlich wirst du nie eingeengt leben können, und das wird Probleme für dich mit sich bringen — aber das ist nun einmal so. Damit mußt du dich abfinden. «
    »Wenn John eine andere heiratet...«
    Kate sah sie scharf an. »Liebst du ihn?«
    Frances machte eine hilflose Handbewegung. »Ja. ich glaube, ja. Aber ...«
    »Aber nicht genug, ihn jetzt heiraten zu wollen. Frances, es kann sein, du verlierst ihn. Aber diese Furcht darf deine Entscheidung nicht bestimmen. Vielleicht ist John der Preis, den du zahlen wirst. Irgendeinen zahlt man immer. Schau, ich...« Kate stockte. »Ich habe es deiner Mutter nie erzählt«, fuhr sie fort, »denn ich fürchte, sie würde es nicht verkraften. Aber du bist härter als sie.«
    »Was ist es denn?«
    »Es geht um deinen Großvater Lancey. Um Dan, diesen irischen Lumpen, den ich vor einem halben Jahrhundert geheiratet habe.« Es klangen Zärtlichkeit und Resignation aus Kates Stimme. »Deine Mutter denkt, wir haben eben nie wieder etwas von ihm gehört. Ich glaube, sie klammert sich an die Vorstellung, daß er entweder noch lebt oder aber einen sanften Tod gestorben ist, irgendwann.«
    Frances sah ihre Großmutter aufmerksam an. »Aber du weißt es besser?«
    Kate nickte. »Fünf Jahre, nachdem ich mit Maureen Dublin verlassen hatte, habe ich mich mit Bekannten daheim in Verbindung gesetzt. Ich wollte wissen, was aus Dan geworden ist.« Ihre Augen verdunkelten sich. » Er war tot. Und er ist elend gestorben. Allein, auf der Straße, abgerissen und hungrig, zum Schluß sogar ohne Alkohol, weil ihm niemand mehr etwas gegeben hat. Man hatte ihn aus der Wohnung gewiesen, weil er die Miete nicht bezahlen konnte. Von da an war er obdachlos, irrte in den Straßen von Dublin umher, lebte von den Abfällen, die die Marktleute zermatscht und zertreten liegen ließen, wenn sie ihre Stände abbauten. Manchmal gelang es ihm wohl, ein bißchen Geld zusammenzubetteln, von dem er sich sofort wieder Alkohol kaufte. Im Winter nahmen ihn mitleidige Nachbarn aus unserer Siedlung manchmal auf, und das war wohl der Grund, weshalb er die vielen eisigen Monate überhaupt durchstand. Aber die Menschen leben dort so beengt, weißt du, so armselig, und sie haben so viele Probleme — irgendwann schickten sie ihn immer wieder hinaus in Kälte und Nässe. Du hast keine Ahnung, wie naß die Winter von Dublin sind.«
    »Es ist schrecklich, Großmutter«, sagte Frances leise.
    »Er muß gestarrt haben vor Dreck und Ungeziefer und zum Himmel gestunken«, fuhr Kate fort, »und offensichtlich hat er sich den Leuten buchstäblich vor die Füße geworfen, wenn er sie um etwas Alkohol anbettelte. Das schlimmste war ... das schlimmste war, daß er, wenn sie ihm vorhielten, er könne ja nicht bezahlen, immer antwortete: ›Kate wird das in Ordnung

Weitere Kostenlose Bücher