Das Haus Der Schwestern
das nicht überleben. Sie konnten nicht...
Sie wußte, daß sie konnten. Sie wußte, daß sie es tun würden.
Jetzt verstand sie alles: die Stricke, die vielen Leute, und weshalb man die Kräftigsten ausgesucht hatte. Ein einziger Blick auf den Schlauch hatte ausgereicht, um Kräfte in ihr zu mobilisieren, an deren Vorhandensein sie nicht mehr geglaubt hatte.
Sie zerrte an den Stricken, versuchte, ihren Leib aufzubäumen, kämpfte wie ein wildes Tier in der Falle. Sie hörte eine Stimme sagen: » Haltet sie bloß gut fest! Das ist wieder so eine Wildkatze! «
Und ein anderer fügte hinzu: »Diese elenden Miststücke!« Es klang weniger zornig als erschöpft, und Frances schoß der Gedanke durch den Kopf, daß dieser Mann vermutlich von morgens bis abends inhaftierten Frauen gewaltsam Nahrung zuführen mußte und daß er seinen Job wahrscheinlich gründlich satt hatte.
Starke Arme preßten ihre Handgelenke auf die Stuhllehnen. In Lederhandschuhe gehüllte Hände griffen unter ihr Kinn, bogen ihren Kopf zurück. Sie sah verzerrte Gesichter über sich, roch fremden Atem, der heiß ihr Gesicht streifte. Sie kämpfte mit aller Kraft, aber ihr gelang nicht eine einzige Bewegung, nur krampfartige Zuckungen durchliefen ihren Körper.
Andere Hände, ebenfalls in Handschuhen, griffen grob an ihren Mund und zerrten ihr mit einem Ruck die Kiefer auseinander. Empört versuchte sie, ihren Mund wieder zu schließen, während ihr aus Wut über die entwürdigende Behandlung die Tränen in die Augen schossen, aber es war hoffnungslos: Sie saß fest wie in einem Schraubstock.
» So, und jetzt richtig tief rein mit ihm! « sagte jemand, ein Mann, und eine der Frauen gab ein dreckiges Lachen von sich.
Frances hatte plötzlich den widerlichen Geschmack von Gummi auf der Zunge, bitter und irgendwie chemisch, und im nächsten Moment spürte sie einen fast unwiderstehlichen Brechreiz. Sie brach in Panik aus, weil ihr klar war, daß sie ersticken würde, wenn sie sich jetzt übergab. Mit der Zunge, dem buchstäblich einzigen Muskel in ihrem Körper, den sie noch frei bewegen konnte, kämpfte sie wie eine Irre gegen den Gummischlauch, ohne daß sie auch nur die winzigste Chance gehabt hätte. Das heftige Würgen, mit dem sie reagierte, als er in ihren Hals eindrang, klang laut und furchterregend. Der rauhe, dicke Schlauch in ihrer Speiseröhre schmerzte entsetzlich, aber schlimmer noch war die Übelkeit; schlimmer war, daß sie zu ersticken meinte; schlimmer war, daß alles in ihrem Innern sich zusammenkrampfte und Widerstand leistete und damit die Tortur verschlimmerte. Sie stieß unzusammenhängende, krächzende Laute aus bei dem Versuch, ihren Peinigern zu sagen, daß sie sie loslassen mußten , weil sie sich jetzt gleich übergab und weil sie dann ersticken würde. Aber niemand reagierte, niemand achtete auf ihre Qual.
Sie pumpten ihr flüssige Nahrung in den Magen, und als sie fertig waren, zogen sie den Schlauch zurück, gröber und hastiger, als es hätte sein müssen. Es tat mörderisch weh, es brannte wie Feuer, und es hinterließ ihren Körper wund und zerschlagen.
Aber trotz allem, trotz der Panik, der Verzweiflung, des grausamen Schmerzes in ihrem Innern, wallte zum zweitenmal, seit sie in diesem Stuhl saß, die Wut in Frances auf, ein elementarer, ungefilterter Zorn, der durch nichts zu beschwichtigen war.
Es war das Pech ihrer Peiniger, daß sie zuletzt unvorsichtig wurden. Der Griff des Mannes, der ihr die Kiefer auseinander-drückte, lockerte sich. Der Schlauch glitt heraus. Und Frances biß zu. Sie schlug mit der ganzen Kraft, die ihr die Qual verlieh, ihre Zähne in seine Hand, und da man sie bestialisch gequält hatte, biß sie bestialisch zu. Sie spürte, daß sie den Lederhandschuh durchdrang, und hörte den Knochen splittern. Der Mann brüllte und zog seine malträtierte Hand zurück; Frances erhaschte noch einen Blick auf sein Gesicht, das kalkweiß geworden war. Im nächsten Moment kippte sie vom Stuhl und verlor das Bewußtsein.
Sie durfte am nächsten Tag im Bett liegenbleiben, obwohl das für gewöhnlich verboten war. Aber die Aufseherin, die am Morgen das Frühstück brachte - um es später erneut völlig unberührt wieder fortzutragen -, warf nur einen kurzen Blick auf sie und nickte dann zustimmend, als Frances sie mit kaum hörbarer Stimme bat, nicht aufstehen zu müssen.
Sie glühte vor Fieber, und bei jedem Atemzug rasselte es in ihrer Brust. Ihr Körper erschien ihr zerrissen, wund und
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