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Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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aufgerieben. Es fiel ihr schwer, zu sprechen und zu schlucken. Sie hatte Bauchkrämpfe und mußte sich immer wieder zu dem Eimer in der Ecke schleppen. Das war beinahe das Schlimmste. Es war schon eine Qual, den Eimer zu benutzen, wenn man nicht krank war, aber es war die Hölle, wenn man unter Übelkeit und Durchfall litt.
    Zum Frühstück wollte sie nicht einmal mehr etwas trinken, weil ihr das Schlucken viel zu weh tat, aber die anderen bestanden darauf.
    »Sie werden sonst zu schwach«, sagte Carolyn. » Kommen Sie! Wenigstens etwas Wasser! «
    Sie stützten ihren Kopf und hielten den Becher an ihre Lippen, und Frances begriff, daß sie unerbittlich bleiben würden. Sie trank, obwohl sogar das klare Wasser wie Feuer in ihrer mißhandelten Speiseröhre brannte und ihr die Tränen in die Augen schossen.
    Nach dem Frühstück wurde Pamela erneut abgeholt, obwohl sie immer noch kaum sprechen konnte und sehr elend aussah.
    »Es ist ungerecht! « stieß Lucy hervor, nachdem Pamela mit ihren Bewachern verschwunden war. »Warum sie schon wieder?«
    »Sie wissen, daß sie den Willen eines Menschen schneller brechen, wenn sie ihm keine Zeit lassen, sich zwischendurch zu erholen«, erklärte Carolyn düster. »Aber keine Sorge. Wir anderen kommen schon auch noch dran! «
    Bedrücktes Schweigen folgte ihren Worten. Frances überlegte, daß, wenn Carolyns Theorie stimmte, sie selbst heute auch noch einmal der Behandlung unterzogen werden würde. Sie stöhnte leise. Sie wußte nicht, woher sie die Kraft nehmen sollte, das noch einmal durchzuhalten.
    Pamela wurde zurückgebracht, sank wortlos auf ihr Bett und vergrub das Gesicht im Kissen. Niemand wagte es, sie anzusprechen. Es vergingen einige Stunden, in denen nichts geschah, aber am späten Nachmittag erschien eine Aufseherin und herrschte Frances an, sie solle aufstehen und mitkommen.
    Pamela hob zum ersten Mal, seitdem sie zurückgekehrt war, den Kopf. Ihre Lippen waren so geschwollen, daß sie völlig entstellt wirkte. »Sie ist zu krank«, flüsterte sie undeutlich.
    »Halten Sie sich da raus!« blaffte die Aufseherin.
    Frances quälte sich hoch. Ihr war schwindelig, und ihr Hals schmerzte, aber wenigstens hatten die Bauchkrämpfe aufgehört. Sie strich ihren Rock glatt, versuchte mit fieberheißen Händen ihre Haare zu entwirren. Sie wußte, daß sie miserabel aussah, hoffte aber, etwas von ihrer Würde wiederzufinden, wenn sie sich ein wenig in Ordnung brachte. Sie hatte panische Angst, mühte sich aber, es niemanden merken zu lassen. Man schien zu wissen, wie schwach sie inzwischen war, sonst hätte man sicher wieder zwei Männer zu ihrer Begleitung abgestellt, und nicht nur eine Frau.
    Ich muß eine ziemliche Jammergestalt abgeben, dachte sie, während sie den Gang entlangschlich.
    Zu ihrem Erstaunen wurde sie diesmal nicht in den Keller geführt, sondern in einen Raum im Erdgeschoß des Gefängnisses, der in der Mitte von einem deckenhohen Gitter in zwei Hälften geteilt wurde. Auf jeder Seite befand sich ein hölzerner Stuhl.
    »Setzen Sie sich«, befahl die Aufseherin. Sie selbst blieb in der Tür stehen und kaute an ihren Fingernägeln.
    Frances setzte sich und atmete tief durch. Sie war immer noch nervös, aber die Panik flaute ab. Offenbar würde man sie nicht erneut der Qual unterziehen, der man sie am Vortag ausgesetzt hatte. Gespannt blickte sie zur Tür, die sich auf der anderen Seite des Raumes befand. Es war klar, daß Besuch für sie gekommen war. Tante Margaret? Phillip? Oder gar ihre Eltern?
    Die Tür ging auf, und John trat ein.
    Frances war so überrascht, daß sie unwillkürlich aufstand. Mit wem auch immer sie gerechnet hatte - mit John bestimmt nicht. Er ging auf sie zu, und an seinem erschrockenen Gesichtsausdruck konnte sie ablesen, wie sie aussehen mußte - nämlich überaus erbärmlich.
    Er sagte: »Mein Gott, Frances, du bist...« Er unterbrach sich und fügte sachlicher hinzu: »Was machst du denn für Sachen?«
    Durch die Gitterstäbe faßte er nach ihren Händen, was sofort die Aufseherin auf den Plan rief. »Anfassen ist verboten! Treten Sie jeder einen Schritt zurück!«
    John gehorchte, aber Frances scherte sich nicht um die Frau, sie blieb an das Gitter geklammert stehen. » John! « Sie brachte seinen Namen nur mühsam und krächzend hervor. » John, wie schön, daß du da bist!«
    Ihr wurde bewußt, wie groß der Kontrast zwischen ihnen beiden sein mußte: John in seinem dunklen Anzug, gepflegt und sauber, elegant und nach einem

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