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Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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anzusehen, daß er sich den Kopf zerbrach, um eine Erklärung für seine Zurückhaltung zu finden, und ziemlich lahm meinte er schließlich: »Ich muß ja noch eine Weile in meine Uniform passen, nicht wahr?«
    »Wir haben alle gerade eine schlechte Zeit«, sagte Alice ehrlich, »nehmen Sie es nicht persönlich, Margaret. Ich weiß, Sie haben sich viel Mühe gemacht.«
    »Wenn ich euch nur etwas aufheitern könnte!« seufzte Margaret. »Frances, mein Liebes, du willst doch nicht für immer so dünn bleiben wie jetzt, oder? Wie wäre es mit einem schönen, großen Stück Schokoladenkuchen?«
    »Danke. Ich kann wirklich nichts mehr essen«, antwortete Frances gepreßt. Sie sah zum Fenster hinaus. Es regnete, und ein kalter Wind fegte durch die Straßen Londons.
    Ich wünschte, es wäre endlich wieder Sommer, dachte sie, ohne sicher zu sein, daß die Dinge dann besser würden. Aber vielleicht würde sie aufhören zu frieren. Sie fror immer, selbst wenn sie, wie jetzt, in unmittelbarer Nähe eines großen Kaminfeuers saß. Das Frösteln hatte sich wie ein Virus in ihrem Körper eingenistet und ließ sich nicht vertreiben.
    Es verwunderte niemanden, daß George zu ziemlich früher Stunde sagte, er müsse nun gehen. Alice stellte sofort ihre Kaffeetasse ab, um sich ihm anzuschließen; für alle Anwesenden war ersichtlich, daß die beiden die ganze Zeit über darauf gebrannt hatten, ihren Streit fortzusetzen, und daß sie genau dies nun tun würden.
    Alice umarmte Frances und sagte zerstreut: »Bis bald, Kleines. Sieh zu, daß du endlich zu Kräften kommst!«
    Es war der Satz, den alle Menschen seit Monaten zu Frances sagten, und irgendwie klang er mechanisch. Einen Moment lang überlegte Frances, ob die Leute ihr »Komm wieder zu Kräften!« noch sagen würden, wenn sie längst als fette Matrone mit rosigen Wangen im Schaukelstuhl saß und es sich gutgehen ließ. Aber der Gedanke konnte ihr kein Lächeln entlocken.
    »Wir sehen uns bald wieder«, versprach George. »Paß auf dich auf! «
    Es gelang ihr, etwas Passendes zu erwidern und sich für den Besuch zu bedanken. Sie sagte zu Margaret, dies sei ein wirklich schöner Tag gewesen, sie wolle nun nach oben gehen und sich etwas hinlegen, sie habe Kopfschmerzen. Geradezu süchtig verlangte es sie nach ihrem Zimmer, nach Ruhe und Dunkelheit.
    Allein sein, dachte sie, nur allein sein. Weit weg von all den besorgten Blicken und bohrenden Fragen.
    Sie ging in ihr Zimmer hinauf, schloß nachdrücklich die Tür hinter sich. Ihr Blick fiel durch das Fenster hinaus auf den Himmel; es dämmerte, aber der Himmel war noch von eisblauer Farbe, es hatte aufgehört zu regnen, und der Wind riß die Wolken auseinander. Im Westen flammte ein letztes rotes Licht auf.
    Frances starrte in die dahineilenden Wolken, dann schritt sie energisch zum Fenster und zog die Vorhänge zu. Der stürmische Abend, der gläserne Himmel erinnerten sie zu sehr an Wensleydale, und das war mehr, als sie im Moment ertrug. Manchmal dachte sie, daß es auch das Heimweh war, was so an ihr zehrte.
    Wie sie war, sogar ohne die Schuhe auszuziehen, legte sie sich auf ihr Bett. Sie war so erschöpft, daß sie bereits nach wenigen Minuten einschlief. Als sie erwachte, war es völlig finster im Zimmer, den schmalen Lichtstreifen, der noch zwischen den Vorhängen hindurchgesickert war, gab es nicht mehr. Etwas benommen setzte sie sich auf; sie hatte den Eindruck, daß irgend etwas sie geweckt hatte, aber sie wußte nicht, was es gewesen war. Erst als ein zaghaftes Pochen an der Tür erklang, wurde ihr klar, daß es dieses Geräusch gewesen sein mußte, das bis in ihre Träume vorgedrungen war.
    »Herein«, sagte sie.
    Die Tür ging auf, und Phillip kam herein.

    Sie sah ihn zunächst nur als schwarzen Schatten, der sich scharf gegen den erleuchteten Flur draußen abhob. Er war stehengeblieben, zögerte noch, hereinzukommen.
    »Frances?« fragte er schließlich.
    Sie schaltete ihre Nachttischlampe ein, die ein gedämpftes Licht unter dem fliederfarbenen Seidenschirm verbreitete.
    »Ach - Phillip! Wie spät ist es denn?«
    »Gleich Mitternacht.« Er sprach mit gedämpfter Stimme. »Ich wollte nur... ich wollte nur einmal nach Ihnen sehen. Es schien Ihnen gar nicht gutzugehen den ganzen Tag über.«
    Sie strich sich die Haare aus der Stirn. »Wann geht es mir schon gut?« fragte sie resigniert. »Manchmal denke ich, es wird nie aufhören mit dieser elenden Kraftlosigkeit.«
    Phillip trat nun ganz ins Zimmer, schloß vorsichtig

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