Das Haus der Tänzerin
Bart. Sie klopfte ihm auf die Brust. »Wo warst du? Sie haben mir gesagt, du wärst tot. Sie haben mir deine Papiere gezeigt.«
Jordi dachte an die Monate der Schlacht zurück, verschwommene Erinnerungen gingen ineinander über. »Ich habe meine Papiere verloren. Ich habe meine Jacke einem Kameraden gegeben, der schwer verletzt wurde.«
»Du lebst. Allein darauf kommt es an.« Sie dachte an Vicente. »Jordi, ich muss dir etwas sagen …«
Oben ratterten die Jalousien, und Vicente erschien in seinem rosafarbenen Morgenmantel auf dem Balkon. Er streckte sich und gähnte nach seiner Siesta. »Rosa!«, bellte er. »Rosa!«
Jordi blickte von ihrem ängstlichen Gesicht hinauf zu seinem Bruder und begriff.
»Sie haben mir gesagt, du wärst tot«, sagte sie und klammerte sich an seinem Hemd fest.
Jordi drückte ihr das Baby in die Arme und schob sie weg. »Du und er? Wie konntest du nur?«
»Bitte, er meinte, es wäre das Beste für unsere Tochter, für Loulou.«
Vicente stützte sich auf die Brüstung und schaute hinunter in den Garten. »Wer ist da?« Jordi blickte zu ihm hoch, die Augen erfüllt von Schmerz und Wut. Vicente brach in Lachen aus. »So was, der verlorene Sohn!«
»Liebst du ihn?«, fragte Jordi sie. Seine Augen jagten ihr Angst ein. Er sah aus wie der Mann, den sie liebte, er klang auch so, aber seine Augen waren tot. Er hatte den Blick eines geschlagenen Tieres, dessen Geist gebrochen ist.
»Bist du verrückt?«, sagte sie. »Ich liebe dich, Jordi, ich habe dich immer geliebt. Er hat gesagt, ich muss ihn heiraten, um unser Kind zu schützen.«
»Du hast ihn geheiratet?« Jordi wich einen Schritt zurück.
»Sí« , sagte Vicente und verschränkte die Arme.
Jordi setzte sich seine Kappe wieder auf. »Dann kann man nichts machen.«
»Ich lasse mich scheiden!«, flüsterte Rosa und hielt seine Hand umklammert. »Jordi, ich habe nichts von dir gehört, gar nichts, seit über einem Jahr. Wenn du geschrieben hättest …«
»Ich kann nicht schreiben. Das weißt du.«
»Du hättest mir eine Nachricht schicken können.«
«Ich habe gekämpft, Rosa, in ganz Spanien«, sagte er, mit vor Wut brüchiger Stimme. »Und jetzt liegen die Leichen meiner Freunde nicht weit von hier an den Ufern des Ebro.« Er zuckte zusammen bei dem Gedanken an die aufgequollenen Leichen, die am Fluss angeschwemmt wurden, wo es von Fliegen wimmelte.
Da sah sie den Wahnsinn in seinen Augen aufblitzen, den Schaden, den der Krieg angerichtet hatte.
»Wir waren tagelang unten in einem Tal gefangen.« Mit dem Handrücken wischte er sich den Mund ab. Ihm schnürte sich die Kehle zu, als er an die Hitze, den Staub dachte. »Marcos Bruder wurde getötet, als er versuchte, den Fluss zu überqueren. Wir haben ihn nach Hause gebracht.«
»Du gehst wieder zurück?«, fragte sie ungläubig.
»Natürlich, die Schlacht geht dort erst los. Widerstand leisten heißt gewinnen.« Er ballte die Faust. »Wir verlieren vielleicht fünftausend Mann, aber sie verlieren viermal so viele.«
»Das ist zu viel. Das sind zu viele Opfer«, sagte Rosa weinend. »Ich kann nicht noch mehr verkraften.«
Schweigend saßen sie am Küchentisch, als es Nacht wurde. Jordi hatte zum ersten Mal seit Monaten gebadet und frische Kleidung angezogen. Die dunklen Haare hingen ihm wild bis zum Kragen des weißen Hemds, und wo er sich den Bart rasiert hatte, hatte seine Haut einen hellen Karamellton. Das Kind schlief in seinen Armen am Kopf des Tisches. Am gegenüberliegenden Ende des Tischs reinigte sich Vicente mit einer Messerspitze die Fingernägel.
»Möchtest du ein Glas Wein, Jordi?« Freya bot ihm den Krug an.
»Ich trinke nicht«, sagte er. Er sah sie an, als würde er sie zum ersten Mal sehen. »Eure Krankenschwestern sind wunderbar«, sagte er zu Freya. »So tapfer. Sie arbeiten in einem Zug in einem Tunnel in der Nähe der Front, sie arbeiten in Höhlen nicht weit vom Fluss, wo man nicht aufrecht stehen kann. Es war dunkel, als sie versuchten, Marcos Bruder zu retten. Dort ist mein Freund gestorben, in einer Höhle. Eine Engländerin hielt ihm die Hand, bis zum Ende.«
»Wir lassen keinen der Jungs allein sterben«, sagte Freya ruhig.
»Dann werden eure Krankenschwestern in den nächsten Monaten vielen Toten die Hand halten müssen.« Vicente verschränkte die Arme und starrte seinen Bruder an.
Jordi schob seinen Stuhl zurück, ging zu Rosa und reichte ihr das Kind. »Es wird Zeit, dass ich gehe.«
»So früh schon?« Sie blickte zu ihm auf, ihr
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