Das Haus der Tänzerin
flehender Blick bat ihn zu bleiben.
»Pass auf dich auf, kleiner Bruder«, sagte Vicente, ohne sich vom Tisch zu erheben.
Jordi schnappte sich seine Jacke und marschierte auf die Tür zu. Rosa drückte Macu das Kind in die Arme und rannte ihm nach.
»Warte«, rief sie, während sie ihm folgte, »du kannst doch nicht einfach weg.«
»Ich habe hier nichts mehr zu schaffen.«
Sie erwischte ihn am Arm und zwang ihn, sie anzusehen. »Jordi, ich bin hier. Dein Kind ist hier.«
Im Mondlicht erschien er ihr wieder jünger, die Narben des Krieges in seinem Gesicht weicher. »Ich dachte, du würdest warten.«
»Wenn es nur um mich gegangen wäre …« Sie nahm sein Gesicht zwischen beide Hände. »Ich habe es dir doch gesagt, ich habe ihn nur geheiratet, um unser Kind zu schützen.«
»Der Gedanke daran, wie du mit ihm …«
»Er besitzt mich nicht.« Sie drückte ihn fest. »Nur du, Jordi. Nur du.« Er atmete schwer, und sie spürte seinen Herzschlag an ihrem Gesicht.
»Komm morgen nach Sagunto. Wir haben in den Ruinen ein Lager. Ich warte auf dich, bevor ich an die Front zurückkehre.«
»Morgen?«
»Hast du Angst?«
»Mit dir nie.« Sie küsste ihn und spürte, wie das Leben wieder in ihr erwachte.
Die Eingangstür flog krachend auf. Jordi blickte auf und sah Vicente dort stehen.
»Rosa«, brüllte er, »komm wieder rein.«
Rosa zögerte. Jede Faser ihres Körpers sagte ihr, sie sollte jetzt mit Jordi weglaufen, weglaufen und nicht mehr zurückkommen. Dann sah sie, dass Vicente das Kind in den Armen hatte. Draußen auf der Straße weinte Marcos Mutter, flehte ihn an, zu bleiben. Sie senkte die Stimme. »Ich komme, morgen.«
Jordi umarmte sie und flüsterte ihr ins Ohr: »Besser die Geliebte eines Helden als die Ehefrau eines Feiglings.«
»Komm mit mir«, sagte er. Jordi drückte sie unter der groben Decke eng an sich, ihr Kopf ruhte auf seiner glatten Brust. Als sie so ineinander verschlungen und zufrieden dalagen, spürte sie, wie sich sein Herzschlag beruhigte. Unter ihnen schliefen die Ruinen von Sagunto im Mondlicht.
»Ich kann nicht, du weißt, dass ich nicht kann.« Sie vergrub das Gesicht in seinem Hals. »Wenn ich mit dir gehe, wird er niemals Ruhe geben. Er wird mich verfolgen, und ich kann unser Kind nicht zurücklassen.«
»Ich lasse dich nicht gehen. Der Gedanke an dich mit ihm …«
»Im Moment ist es die einzige Möglichkeit.« Als sie sein Gesicht betrachtete, füllten sich ihre Augen mit Tränen. »Ich liebe dich, Jordi. Ich werde dich immer lieben.«
»Ich würde lieber sterben, als ohne dich sein.« Jordi schloss die Augen. »Versprich mir, dass du ihn nie lieben wirst, wenn ich nicht zurückkomme.« Ihm versagte die Stimme, und als sie ihn ansah, erblickte sie plötzlich den Jungen in ihm, der er immer noch war. Er war kein Soldat, sie war nicht die große Tänzerin, die es ihm angetan hatte. Sie waren einfach ein Junge und ein Mädchen, die ineinander verliebt waren.
»Nie.«
»Ich kann das nicht ertragen. Mein eigener Bruder, wie konnte er …«
»Er hat gesagt, es wäre das einzig Anständige.«
»Anständig?«, flüsterte Jordi zornig. »Ich sollte ihn umbringen. Ich habe ihm vertraut. Schon als ich ein Kind war, war es immer das Gleiche. Wenn ich etwas gemacht habe, hat er es zerstört.«
»Er kann uns nichts anhaben«, sagte sie. Sie legte die Hand aufs Herz. »Wenn es sicher ist, lass es mich wissen, dann komme ich.«
»Und das Kind?«
»Wenn ich kann, bringe ich sie mit. Wenn nicht …« Rosa verstummte. »Die ganze Zeit schon werden Kinder in Sicherheit gebracht. Freya hat mir erzählt, dass sie bald nach Hause geschickt wird. Sie geht in ein Krankenhaus an der Grenze. Wenn es sein muss, bringe ich Loulou dorthin.« Sie spürte ein klammes Gefühl in der Brust, als sie daran dachte, von ihrem Kind getrennt zu werden. Sie drängte die Tränen zurück. »Hier ist es im Moment nicht gut für sie. Wenn wir den Krieg verlieren, wird keines unserer Kinder sicher sein.«
»Kannst du der Engländerin vertrauen?«
Rosa sah ihn an. »Ja, auf jeden Fall. Freya kümmert sich um sie, bis wir frei sind. Wir können gemeinsam fliehen. Es ist noch Zeit.«
Er griff zwischen ihre Brüste. Das goldene Medaillon glänzte im Schein des Feuers an einer dünnen Goldkette.
»Siehst du?«, sagte sie. »Ich trage es heute Nacht. Ich und du. Ich bin immer bei dir.« Er küsste sie auf die Augen, als sie zu weinen anfing, ihre Wimpern wurden zu dunklen Spitzen. »Immer.«
»Wir brechen in
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