Das Haus der Tänzerin
Ein muskulöser schwarzer Schäferhund umrundete Sasha, er hatte die Zähne gefletscht, und die Ohren lagen am Kopf an. Sasha stellte sich auf die Hinterfüße, das silberne Nackenfell gesträubt, und setzte die Vorderfüße auf den anderen Hund auf. Knurrend kämpften sie miteinander. Luca ging dazwischen und befreite Sasha. Der Schäferhund schnappte nach ihm und erwischte ihn an der Hand. Luca brüllte und trat nach dem Hund, der davonrannte und zwischen den Bäumen verschwand.
»Zeig mal«, sagte Emma und nahm seine Hand. Er zog ein weißes Taschentuch aus der Tasche und schüttelte es aus, während sie sich den Biss ansah.
»Es ist nichts.« Er tupfte das Blut mit dem Taschentuch ab.
»Du solltest das anschauen lassen«, sagte sie. Luca schnaubte und schüttelte den Kopf. »Der Hund könnte tollwütig sein.« Emma band ihm das Taschentuch fest um die Hand, und Luca zuckte zusammen.
»Nein, er hatte eine Marke«, sagte er. »Die beiden geraten sich immer in die Haare.« Er schaute hinüber zu Sasha, der den Kopf auf den Boden gelegt hatte und wartete, was als Nächstes passieren würde. »Du …«, brummte er, und der Hund rollte sich auf den Rücken.
»Männer«, seufzte Emma. »Ihr wisst einfach nicht, wann ihr aufhören müsst.« Sie zuckte zusammen und hielt den Atem an, als sich ihr Bauch während einer Wehe verhärtete.
»Emma?« Er berührte sie am Arm.
Lächelnd atmete sie aus. »Keine Sorge. Das sind nur Vorwehen – das Baby kommt erst in ein paar Wochen. Das war nur ein falscher Alarm.«
Emma stand nun auf und zuckte erneut zusammen, als wieder eine Wehe kam. Sie atmete langsam aus, ihr Atem bildete eine weiße Dunstwolke, und sie blickte hinaus auf den schlafenden Garten. Sie stellte sich den nächsten Sommer vor und all die Sommer, nachdem der Garten wieder zum Leben erweckt worden war. Im Geiste beschwor sie den Duft von Blumen herauf, den gesprenkelten Schatten der Bäume auf frischem Gras, den Klang des fließendes Wassers im Brunnen. Vielleicht ist jetzt der Zeitpunkt, dir ein eigenes Leben aufzubauen, hatte Luca gesagt. Sie schaute hinauf zum Mond und dankte ihrer Mutter leise. Ich will mir das hier aufbauen, dachte sie. Diesen Ort, dieses Leben.
41
Valencia, Juli 1938
Rosa lag in der Hängematte im Garten, die Julisonne brannte durch die Blätter herunter, ihr Kind schlief in ihren Armen. Zur Siestazeit war es ruhig im Dorf, sie hörte nur das Wasser, das im Brunnen plätscherte. Es schien unmöglich, dass der Krieg immer näher rückte und schon den Ebro erreicht hatte. Sie schloss die Augen, spürte, wie sich der Brustkorb ihrer Tochter unter ihrer Hand gleichmäßig hob und senkte und strich ihr die feuchten Locken aus der Stirn. Sie hatte Angst, nicht wegen ihr selbst, sondern wegen ihrer Tochter. Rosa fuhr zusammen, als der Riegel am Tor klickte. Sie hob die Hand an die Augen und schirmte sie vor der Sonne ab.
» Quién está ahí? Wer ist da?«, fragte sie. Schritte knirschten auf dem Kies. Sie kämpfte sich hoch und legte das Kind zur Seite. Als sie sich umwandte, nahm der Mann sie in die Arme und zog sie zu sich.
Rosa wehrte sich, drückte ihn weg. Sie sah seinen schmutzigen Bart, roch seine stinkenden, zerlumpten Kleider.
»Rosa«, sagte er. »Erkennst du mich nicht?«
Beim Klang seiner Stimme erstarrte sie, das Herz klopfte ihr bis zum Hals. »Jordi?«, rief sie. »Jordi?« Sie begann zu zittern, zu weinen. Sie nahm sein Gesicht zwischen die Hände und blickte ihm in die Augen. »O Gott, du lebst. Ich habe gewusst, dass du lebst!« Sie hielten einander in dem gesprenkelten Licht fest umklammert, während ihr Kind neben ihnen schlief.
Macu kam mit einem Korb Pfirsiche um die Hausecke. Als sie die beiden sah, ließ sie den Korb fallen, und die Pfirsiche kullerten auf den Boden.
»Als hättest du einen Geist gesehen, Macu.« Jordi wandte sich dem schlafenden Baby zu,
Rosa betrachtete sein Gesicht. »Das ist deine Tochter«, sagte sie, und eine Träne lief ihr über die Wange.
Er trat vor und streckte die Hand aus, die sich dunkel von Loulous bleicher Wange und ihrem weißen Kleidchen abhob. Er zögerte, seine Hand zitterte. »Ich kann nicht …«, flüsterte er mit tränenerstickter Stimme. »Sie ist viel zu vollkommen.«
Rosa hob das Kind hoch und reichte es ihm. »Sie gehört dir, uns.« Jordi vergrub das Gesicht in ihrem Haar. »Sie ist wunderschön«, sagte er und küsste Rosa auf den Kopf. »Du hast dich nicht verändert.«
»Aber du.« Rosa zupfte an seinem
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