Das Haus der Tänzerin
dir.«
Vicente hob ruckartig den Kopf, als Rosa ihm die Flasche brachte. Das Licht des Kamins schimmerte durch die dunkle bernsteinfarbene Flüssigkeit. » Joder! Du hast dir aber Zeit gelassen.« Er schlug mit der Faust auf den Tisch und warf die Zeitung hin.
Rosa schaute auf die Schlagzeile: »La conquista de Valencia y Alicante ha puesto definitivo termino la peste roja.« Peste roja , dachte sie. Die rote Pest – ausgerottet.
»Und, worauf wartest du?« Er schob ihr das leere Glas hin. Rosa füllte sein Glas und stellte die Flasche auf die Theke.
Rosa löffelte noch mehr Paella in die Tonschüssel und brachte sie ihm. Betrunken schob er sich einen Löffel nach dem anderen in den Mund. Während er aß, strickte Rosa schweigend im Schein der Lampe. Er kämpfte sich hoch, taumelte durch die Küche wie ein Stier am Ende eines langen Kampfes, dem die banderillas mit den bunten Bändern in den blutenden Flanken steckten. Er schenkte sich nach, setzte sich und trank das Glas leer. Als ihm die Augen zufielen, legte Rosa ihr Strickzeug weg und wartete.
Die Minuten vergingen, nur das Knistern und Zischen des Feuers und das rollende Donnern über ihnen durchbrach die Stille. Macu schlich sich schließlich zum Tisch hinüber. »Rosa?«, flüsterte sie. »Ist er …?«
»Er sollte«, sagte Rosa bitter. Der Regen fiel stärker, trommelte auf das Hausdach.
»Atmet er?« Macu ging auf Zehenspitzen auf ihn zu. »Ich schau mal.« Sie trat vor und streckte die Hand aus, um ihn am Hals zu berühren. Gerade als sie bei ihm war, schnaubte Vicente und kippte nach vorn. Die Frauen schrien auf, als er sich stolpernd aufrichtete.
»Was habt ihr mit mir gemacht?« Mit verzerrter Miene hielt er sich den Bauch. Er konnte nur noch langsam und schwerfällig sprechen. »Ihr Hexen! Ich verfluche euch!« Rosa wich zurück, aber er packte Macu am Hals. Draußen wütete das Unwetter, der Wind jagte durch den Garten, durch die offene Tür. Macu bekam keine Luft mehr, ihre Füße baumelten über dem Boden. Sie klammerte sich verzweifelt an seiner riesigen Pranke fest.
»Hilfe!«, krächzte sie. »Ich kann nicht …«
Rosa versuchte, sie von ihm wegzuziehen, aber Vicentes Griff war nicht zu lösen, seine Muskeln waren verkrampft. Sie wirbelte herum, packte den schweren Steinmörser, hob ihn hoch und ließ ihn auf seinen Kopf krachen. Röchelnd ließ er Macu los, und als er auf dem Boden landete, floss dunkles Blut von seiner Schläfe in den Schatten. »Hijo de puta.« Sie spuckte ihn an. »Du Mistkerl.«
Die Frauen standen zitternd und nach Luft ringend über ihm. Keine von beiden sagte etwas. Beide zuckten zusammen, als Blitze am Himmel aufleuchteten. »Du musst gehen.« Rosa drehte sich zu Macu.
Das Mädchen schüttelte den Kopf. »Nein, ich bleibe. Du bist meine Freundin, in Freud und Leid.« Sie nahm Rosas Hand. »Ich bleibe und helfe dir.« Sie warf einen Blick auf Vicente. »Was machen wir mit ihm?«, fragte sie schließlich.
Rosa blickte hinaus in den dunklen Garten. Die Blitze beleuchteten den Haufen Kalkputz, wo Vicente gearbeitet hatte, den Spaten, der noch in der Erde steckte. »Zuerst graben wir ein Loch«, sagte sie. »Ich suche einen zweiten Spaten im Schuppen.« Sie nahm das Buch mit den Rezepten, Lorcas Gedichtband und den schweren Mörser und taumelte damit hinaus in den Garten. Regen strömte ihr über das Gesicht. Mit der Schulter stieß sie den Lagerraum auf und wuchtete den schweren Mörser ganz oben auf das Regal. Auf dem Weg durch den Garten zog sie sich den goldenen Ring vom Finger und warf ihn in den Graben. Sie blickte hinunter in das dunkle Wasser und sah das glänzende Bild einer Frau, die sie nicht mehr erkannte.
Macu kam zu ihr gelaufen, und die beiden Frauen gruben die ockerfarbene Erde auf, während das Unwetter tobte. »Das dauert zu lang!«, rief Macu. Nach einer halben Stunde war das Loch kaum einen Meter tief. »Er ist zu groß!«
Rosa sah Vicentes verkrümmten Körper in der Küche auf dem Boden liegen. Sie warf einen Blick auf den Kalkputz unter dem Vordach des Schuppens, mit dem die Wand fertiggestellt werden sollte. »Nein, das geht. Ich schaffe das.« Sie legte den Spaten weg. »Macu, hilf mir, ihn in den Laden zu schleppen. Von dort kann ich das erledigen.«
»In den Laden?« Macu verzog das Gesicht. »Rosa, was hast du vor?«
Rosa marschierte den Weg hinauf zur Küche. »Ich räume auf. Wenn ich fertig bin, wird kein Mensch auf die Idee kommen, dass wir hier waren.« Sie dachte wieder an die
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