Das Haus der Tänzerin
Fotografien unter den Fußbodendielen im oberen Stockwerk. »Das Haus wird jetzt lange, lange schlafen, wie in einem Märchen.« Die Mädchen packten jeweils ein Bein und schleppten Vicente aus der Küche, sein Kopf schlug auf der Steinstufe auf. Die Arme schleiften hinter ihm her, als sie ihn zwischen den Orangenbäumen hindurch und über das nasse Gras zogen.
Rosa keuchte, als sie die Hintertür des Ladens öffnete. Sie drehte sich zu Macu um. »Jetzt komme ich allein zurecht. Ich möchte, dass du gehst.« Blitze zuckten über den Himmel, und Macu erhaschte einen Blick auf den dunklen Raum, sah die aufgereihten silbernen Messer, die dunkel glänzten. Rosa nahm sie an den Schultern. »Macu, vergiss mich. Vergiss das alles.«
»Das kann ich nicht. Du bist meine Freundin.«
Rosa umarmte sie, spürte, wie sie in ihren Armen zitterte. »Geh und führe ein gutes Leben mit Ignacio. Du hast alles, Macu – ein Zuhause, ein Leben, eine Familie.« Sie drückte sie fest. »Pass auf dich auf.« Sie küsste sie auf beide Wangen. »Vergiss das alles. Vergiss mich.«
Rosa hörte Macus schnelle Schritte durch den Garten und wartete, bis das Tor am Hintereingang zufiel. Sie drehte sich zum Haus um, der Wind wehte durch die Orangenbäume. Ein bitterer Geschmack stieg ihr in den Hals, als sie daran dachte, was sie nun tun musste. Mit zitternden Fingern griff sie über die alten Kacheln der Theke. »Es ist Zeit, Vicente«, sagte sie leise. »Es ist Zeit.«
52
Valencia, Januar 2002
»Nicht die dort, lieber diese«, sagte Macu und zeigte auf die weißen Lilien an der hinteren Seite von Aziz’ Auslage.
»Sí, Señora .« Aziz nahm die Stängel aus dem Stahleimer, die Köpfe der Blumen schwankten im Wind. Der schwere Weihrauchduft von ihren weißen, zungenähnlichen Blütenblättern erfüllte die Luft.
» Buenos días, Macu«, sagte Emma und küsste sie auf die Wangen. »Die sind wunderschön, Aziz. Sind sie für eine besondere Gelegenheit?«
»Ich bringe sie meinem Ignacio auf den Friedhof«, sagte Macu.
»Guten Morgen«, grüßte Fidel. Er trug eine Holzkiste mit frischem Gemüse in den Laden. »Ich habe Ihre Bestellung dabei. Meine Tochter hat mich gebeten, sie hier abzuliefern.«
»Danke. Was schulde ich Ihnen?« Emma schickte sich an, ihren Geldbeutel aus der Tasche zu nehmen.
Fidel tätschelte ihr die Hand. »Nichts. Es ist mir eine Freude. Sie brauchen so viel frisches Obst und Gemüse wie möglich. Es ist gut für das Baby.«
»Geht es dir denn gut?«, fragte Macu. »Du bist sehr blass.«
»Es geht mir gut.« Emma lehnte sich an die Theke. »Ich hatte nur … Sie haben ein Skelett im hinteren Teil des Gartens ausgegraben.«
»Ein Skelett?« Macu wich zurück.
»Sehr seltsam – und es hat Goldzähne.«
»Ich sage ja, dieses Haus hat mala sombra – schlechte Energie«, sagte Aziz, als er Macu den Blumenstrauß reichte.
»Unsinn«, sagte Emma. Die Sonne schien, aber sie fröstelte plötzlich. »Luca hat die Polizei gerufen. Ich glaube, sie bringen einen Bestatter mit, der sich um die Überreste kümmert.«
»Komm«, sagte Macu, »es wird eine Weile dauern, bis sie hier sind. Wir müssen reden.« Sie hängte sich bei Emma ein. »Gehen wir gemeinsam zum Friedhof. Du auch, Fidel.«
Sie spazierten über den staubigen Weg. Keiner sagte etwas, nur das Klopfen von Macus Gehstock war zu hören. Fidel schob die quietschenden Eisentore des Friedhofs auf und führte die Frauen hinein. Auf jedem der ordentlich gepflegten Gräber standen frische Blumen. Jetzt verstehe ich, warum es bei Aziz so gut läuft, dachte sie und atmete tief durch, als sich ihr Bauch zusammenzog.
Macu lief über den Kiesweg und blieb vor einem großen Marmorgrab stehen. »Kannst du mir helfen?«, bat sie Emma und zeigte auf die welken Nelken in der Vase. Emma beugte sich unbeholfen hinunter und leerte die Vase aus. Sie betrachtete die Liste der Namen, die in den Marmor eingraviert waren. Unter Ignacios Namen stand: » Alejandra Ramirez Villanueva, 1971 – 1999 .« Sie war genauso alt wie ich, wer auch immer sie war , stellte Emma fest. Darunter stand nur » Xavier de Santangel Ramirez, 1999«.
»Hier«, sagte Fidel und reichte ihr ein Taschenmesser, um die Lilien unten abzuschneiden.
»Es ist schön hier«, sagte Emma. »Sehr friedlich.«
»Ich komme jede Woche hierher und rede mit Ignacio.« Macu trat vom Grab zurück, setzte sich mit Fidel auf eine Steinbank an der Mauer und ließ sich die Sonne ins Gesicht scheinen. »So, frag mich, was
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