Das Haus der Tänzerin
würde sterben, wenn sie dort blieb. Deshalb haben wir Kleidung und Papiere getauscht. Rosa hat Ventas in einem Fuchspelzmantel verlassen und ging zu dem wartenden Auto. Mein Fahrer brachte sie an die Küste. Ich bin so lange liegen geblieben, dass sie sicher fliehen konnte, dann tat ich so, als hätte sie mich bewusstlos geschlagen. Ich schlug den Kopf gegen die Wand, damit ich einen Bluterguss und einen Platzwunde bekam.« Macu fuhr sich mit ihren zarten Fingern am Haaransatz entlang. »Ignacio kam und rettete mich. Ich glaube, er wusste, was ich getan habe. Aber wir haben nie darüber gesprochen.«
»Er war ein guter Mann«, sagte Fidel.
»Rosa hatte recht, was ihn betraf«, sagte Macu zu Emma. »Er hat seinen Eltern getrotzt und mich geheiratet. Er hat mich geliebt, und mit der Zeit habe ich seine Liebe erwidert. Wir führten über sechzig lange Jahre eine glückliche Ehe. Keiner von uns gehörte zu den ›Roten‹ oder zu den ›Faschisten‹, wir haben einander einfach geliebt, und unser Land. Er hatte mächtige Freunde, und Rosa wurde begnadigt.«
Emma umarmte Macu. »Danke.« Sie hielt die alte Frau in den Armen. »Wegen dir konnte meine Großmutter fliehen.«
Macu klopfte ihr sanft auf den Rücken. »Sie war meine Freundin. Ich glaube, in Spanien gibt es keine Familie, die nichts zu betrauern hat. Fidels Generation sind die verlorenen Kinder«, sagte sie. »Wir tragen diesen Kummer mit uns herum, bis wir sterben.«
»Was schlimmer ist«, sagte Fidel, »dass selbst denjenigen, denen die Flucht gelungen war – die Kinder, die in Russland, Mexiko, England adoptiert wurden –, Franco nicht ihren Frieden lassen wollte. Er brachte ihre Eltern um, dann jagte er sie. Der Auslandsdienst der Falange spürte die Kinder auf. Sogar mit neuen Namen und neuen Familien waren sie nicht sicher.«
Emma dachte an Liberty, an Freyas untypische Panik jedes Mal, wenn Emma als Kind davongelaufen war. Nun verstand sie.
»Erzählen Sie mir, wie es war, als meine Mutter hierherkam«, bat sie Fidel.
»Das ist mittlerweile schon eine ganze Weile her«, sagte er. »Im Februar letzten Jahres?«
Emma dachte einen Augenblick nach. »Ich musste nach New York.« Sie runzelte die Stirn. »Mum hat gesagt, sie würde ein letztes Mal nach Cornwall fahren. Es war nicht lange vor ihrem Tod.«
Fidels Züge wurden weich. »Das Haus sollte eine Überraschung für Sie sein. Es tut mir leid, dass ich es Ihnen nicht sagen konnte, als wir uns zum ersten Mal begegneten.«
Als Emma zu ihm aufblickte, sammelten sich Tränen ihn ihren Augen. »Nein, schon gut. Mum liebte Überraschungen. Erzählen Sie mir von ihrem Besuch.«
»Ich brachte sie hoch in die Berge, damit sie das Land ihrer Väter sehen konnte. Ich habe ihr das Dorf gezeigt und die Villa del Valle.« Er lächelte bei der Erinnerung daran. »Sie sagte: ›Das ist es, das ist es! Mein ganzes Leben hatte ich das Gefühl, ich hätte Heimweh nach etwas, das ich nie gekannt hatte.‹ Sie hat mir erzählt, dass die Kelten in Großbritannien, wo sie aufgewachsen war, ›hiraeth‹ dazu sagten – die Sehnsucht nach zu Hause.«
Emma lächelte. »Ich bin so froh, dass sie hier glücklich war.«
»Sie wollte das für Sie. Sie sagte, sie hoffte, das wäre ein neuer Anfang für Sie.«
»Auch Rosa hätte das gewollt«, sagte Macu sanft. »Sie ist dann schließlich von Sète aus mit einem Schiff, der SS Sinaia, nach Mexiko geflohen. Nancy Mitford und ihr Mann hatten in Perpignan ein Büro eröffnet, um Müttern auf der Flucht zu helfen. Rosa hat mit ihr zusammengearbeitet.« Macu lächelte. »Kannst du dir deine Großmutter mitten in diesem Chaos vorstellen? Überall Menschen mit Pappkoffern, Eseln, Ziegen und Hunden. Es muss eine Irrenanstalt gewesen sein.« Sie schüttelte den Kopf. »Als sie in Mexiko angekommen war, bekam ich einen einzigen Brief von ihr. Rosa ging als Krankenschwester an Bord, um die Kinder zu versorgen. Sie kehrte nie zurück.« Macu blickte über den Friedhof. »Nach ihrem Tod hat mir eine Nonne das Foto von ihr geschickt, das ich dir neulich gegeben habe. Unser Freund Carlos hat es im Herbst 1937 aufgenommen, und sie hat es sehr geschätzt.« Macu warf einen kurzen Blick auf Emmas Kette. »Damals gab es nicht viele Fotografien.« Sie lächelte bei dem Gedanken an ihre alte Freundin. »Rosa liebte diesen Garten. Sie würde sich sehr darüber freuen, dass du ihn wieder herrichtest.«
Emma drückte Macu die Hand. »Danke. Ich weiß, wie schwer es sein muss, über all das
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