Das Haus der Tänzerin
kam ihm so nahe, dass sie den Geruch von Seifenpulver und Kaugummi wahrnahm. »Bis dann, Emma.«
Fidel kam mittags genau in dem Moment, als Marek und Borys anklopften. Emma stellte erfreut fest, dass sie sich kannten. Sie hatte Fidel gebeten, ihr bei der Organisation des Umbaus zu helfen – sie wollte jemanden, der ein Auge auf die Arbeiten haben konnte, während sie mit dem Baby im Krankenhaus war.
»Das sind gute Arbeiter«, erklärte er ihr, als sie am Küchentisch saßen. »Für meinen Bruder haben sie jeden Tag von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang gearbeitet.«
»Gut«, sagte Boris, »es freut mich, dass Señor Pons Garcia zufrieden war. Bei den Arbeiten hier wird der Garten den Abschluss bilden.« Er ging die Liste durch und machte sich ein paar Notizen. »Am Ende machen wir den Pool und die Terrasse. Und in der Zwischenzeit schlagen wir hier draußen unsere Zelte auf, ist das in Ordnung?«
»Ja.« Emma lachte.
Fidel betrachtete das Regenwasser, das in der Küche von der Decke tropfte. »Vielleicht wären Sie draußen in einem Zelt auch besser dran.«
Während sie ihre Pläne für das Haus besprachen, stellte sie fest, dass Borys Maurer, Installateur und Elektriker war. Marek kümmerte sich um die Zimmermannsarbeiten, das Verputzen und die Ausstattung, und er war zuständig, wenn etwas Schweres zu tragen war. »Mein Rücken spielt nicht mehr so mit«, sagte Borys. Emma erhaschte einen Blick auf einen dicken Ledergürtel unter seiner Weste und musste etwas verunsichert geschaut haben. »Keine Sorge, ich arbeite wie ein Superman.«
»Da bin ich mir sicher.«
»Wir beide zusammen sind wie ein großer Mann!« Borys fuhr Marek durch die goldenen Locken. »Ich kannte Marek schon als kleinen Jungen – sein Vater war mein bester Freund. Ich habe versprochen, mich um ihn zu kümmern.«
»Ich kann mich schon selbst um mich kümmern«, sagte Marek. Er blickte Emma herausfordernd an.
»Ich bin jedenfalls froh, euch beide hierzuhaben.« Emma schickte sich an, die Becher wegzuräumen, aber Borys ließ sie nicht.
»Legen Sie sich hin. Wir sind auch leise.«
»Keine Sorge. Ich könnte bei allem Lärm der Welt schlafen.«
Während er die Becher abspülte, sagte er: »Sie wissen, dass Sie dort oben ein Geheimzimmer haben?«
»Ich habe mich schon gewundert, als ich von draußen die Fenster gezählt habe«, sagte Fidel. »Meinen Sie wirklich?«
»Zwischen dem Hauptschlafzimmer und dem Glockenturm.«
»Vielleicht liegt eine Leiche drin?« Marek hob die Arme wie ein Zombie. »Hier im Dorf erzählt man sich, dass es in dem Haus spukt.«
»Also mir ist nichts aufgefallen«, sagte Emma lachend. »Das ist ja spannend! Können Sie es aufmachen?«
»Na sicher.« Boris trocknete sich die Hände ab. »Man muss den Verputz im Gang oben abschlagen, aber das müssen wir sowieso wegen der Stromleitungen.«
»Wunderbar – fangen Sie doch bald damit an.«
»Ja, bald, aber erst sorgen wir für anständige Rohrleitungen und Stromversorgung. Sie brauchen doch Wärme und Licht für das Baby, oder?«
»Aber das Geheimzimmer klingt viel interessanter!«
»Das kann noch ein paar Wochen warten«, sagte Borys. »Für mich sieht es so aus, als wäre es seit Jahren versiegelt.«
23
Valencia, Mai 1937
Rosa ging an der Hauptstraße entlang. Sie hielt sich im Schatten, nahe an den Häusern. Das Baby trat gegen ihren Hüftknochen, und sie zuckte zusammen. Sie wusste, es würde nun nicht mehr lange dauern, höchstens eine Woche. Um sie herum flirrte die Mittagshitze, und an der Straße waren die Fensterläden zur Siesta geschlossen. Weiter vorn trottete ein kleiner schwarzer Hund über die stille Straße, er lief vom Café nach Hause. Leise sang sie ihrem Baby etwas vor, ein altes Lied, das sie von ihrer Mutter gelernt hatte. Die Stille lastete auf ihr. Mamá , dachte sie und bemühte sich, das Bild von der zerfetzten, blutigen Leiche ihrer Mutter am Straßenrand loszuwerden. Lieber erinnerte sich Rosa daran, wie sie zu Hause im Schaukelstuhl neben dem Kamin saß und ihr beim Nähen Lieder vorsang oder wie sie im Mondlicht mit ihr auf dem Hügel duftende Kräuter sammelte. Dennoch drängte sich das Gesicht ihrer Mutter, ihr entsetztes, gequältes Gesicht, in ihre Gedanken.
Sie legte den Arm um den Bauch, nahm den schweren Korb in die andere Hand und lief rasch über die Straße. Die Gesprächsfetzen, die sie auf dem Markt aufgeschnappt hatte, gingen ihr durch den Kopf.
»Die Anarchisten und die POUM haben in Barcelona einen
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