Das Haus der Tänzerin
zwischen ihren mit Kajal geschminkten Augenbrauen.
» Buenos días «, sagte Emma. »Kann ich Ihnen helfen?« Sie setzte den Mörser und den Stößel auf dem Tisch ab. Die Bücher legte sie daneben.
Die alte Frau wurde bleich. »Madre mia!«
»Ist alles in Ordnung? Es tut mir leid, wenn ich Sie erschreckt habe.«
Sie fing sich wieder. »Ich habe Sie nicht kommen hören.« Sie hielt ihre harte Lackhandtasche vor ihren Bauch wie einen Schild. »Ich bin Immaculada. Alle sagen Macu zu mir. Fidel meinte, Sie wollen mich sehen.«
»Ah! Es freut mich sehr, Sie kennenzulernen. Vielen Dank, dass Sie gekommen sind.« Emma wischte sich die Hände ab. »Ich würde Ihnen ja gerne eine Tasse Kaffee anbieten, aber mir ist das Gas ausgegangen.«
»Sie leben allein hier? So?« Macu schüttelte den Kopf, während sie sich auf den Stuhl setzte, den Emma ihr hinstellte.
»Das ist nicht so schlimm. Ich will es noch renovieren …« Sie sah der alten Frau an, wie besorgt sie war. »Es ist schön, einmal Besuch zu haben. Die meisten Leute scheinen Angst vor dem Haus zu haben.«
»Vor dem Haus?« Sie schnalzte mit der Zunge. »Vor Häusern muss man keine Angst haben, nur vor den Menschen. Vielleicht noch vor Geistern.« Sie zuckte die Schultern und schaute auf Emmas Bauch. »Sind Sie …?«
»Ja. Das Baby soll im Januar kommen.«
»Sie brauchen Hilfe, besonders in diesem Zustand. Haben Sie Familie hier?«
»Nein. Meine Mutter hat dieses Haus gekauft, aber sie ist gestorben.«
»Keine Familie.« Sie folgte Emmas Blick zu einem Bilderrahmen auf dem Fensterbrett. »Ist das Ihre Mutter?« Emma merkte, dass sie überrascht war. »Wie hieß sie denn?«
»Liberty.«
»Und wer war Libertys Mutter?«, fragte Macu. Emma spürte etwas in ihrer Stimme, eine gewisse Spannung.
»Meine Großmutter? Sie heißt Freya Temple.«
»Freya?« Macu blickte zu ihr auf. »Lebt sie noch? Ich habe nie …«
»Kannten Sie Freya?«
Macu lehnte sich zurück. »Sie war hier, vor langer Zeit.«
»Im Krieg?«
Sie zögerte. »Ja, im Krieg.«
»Darf ich Sie etwas fragen?« Emma zog aus ihrer Brieftasche die beiden Fotos heraus und reichte sie Macu. »Kannten Sie diese Leute?«
Macu atmete scharf ein, als wäre sie erschrocken. »Das sind meine Freunde. Das da ist Rosa …« Ihre Stimme verebbte.
Emma ging neben ihr in die Knie, um die Fotos anzusehen. »Und der Junge?«
»Das ist Jordi. Jordi del Valle.«
»Das war also sein Haus? Ich würde gerne alles darüber erfahren. Ich möchte so gerne die Geschichte dieses Ortes kennenlernen.« Emma spürte Macus Widerwillen. »Ich kann es gar nicht fassen, dass Sie auch Freya kannten. Haben Sie mit ihr in den Krankenhäusern gearbeitet?«
Macu reichte ihr die Bilder, schloss die Finger darüber. »Ich … ich freue mich sehr, Sie kennenzulernen. Von Freya zu hören und von Ihrer Mutter.« Sie sah Emma in die Augen. »Irgendwann werden wir uns unterhalten. Aber zuerst müssen Sie mit Ihrer Großmutter sprechen.« Blinzelnd sah sie sich um. »Ach, was dieses Haus alles gesehen hat. Und nun fällt es auseinander.«
»So wie ich«, sagte Emma lachend. Unbeholfen stand sie wieder auf und lehnte sich an den Küchentisch. »Fidel sagt, ich soll mit Ihnen auch über die Duftstoffe sprechen, die es hier gibt. Ich mache Parfum.«
»Ach ja?« Macu lächelte. »Rosa, meine Freundin, die hier wohnte, kannte sich auch gut mit Kräutern aus. Sie hat Medizin hergestellt, Heilmittel.«
»Wirklich? Ich würde gerne mehr über sie erfahren.«
»Meine Tochter wartet im Auto, deshalb muss ich nun los. Sie müssen uns bald besuchen.« Macu richtete sich mühsam auf. »Dann können wir uns unterhalten.« Sie blickte sich in der staubigen Diele um. »In der Zwischenzeit schicke ich Ihnen eine der Töchter unserer Haushälterin zur Hilfe. Solé, sie ist auch gut mit Babys.«
»Das müssen Sie nicht.«
»Ich will es aber.« Sie nahm ihre Hand. »Sie sind allein hier. Das ist nicht gut.«
»Danke. Dann muss ich mir darüber schon mal keine Gedanken mehr machen. Jetzt muss ich Handwerker finden«, sagte Emma, als sie die Tür öffnete.
»Hören Sie, suchen Sie doch meinen Enkel Luca. Gehen Sie gleich zur Bar. Er weiß alles über die Landwirtschaft, und er kennt auch Handwerker.« Sie küsste Emma auf die Wange. »Er wird Ihnen helfen, Sie wieder aufzurichten, Sie werden sehen.«
»Luca de Santangel ist Ihr Enkel?« Emma lächelte. »Wir haben uns schon kennengelernt.«
Emma entdeckte Luca auf der anderen Seite des
Weitere Kostenlose Bücher