Das Haus der Tänzerin
Flugzeugs ging auf. Als Emma sich umdrehte, um weiter mit der Frau zu reden, stellte sie fest, dass sie verschwunden war. Emma schützte die Augen vor der grellen Wintersonne und sah, wie sich der Hund auf den Befehl seines Herrn gehorsam hinsetzte. Luca warf dem alten Mann die Schlüssel für das Flugzeug zu und schritt über die Landebahn, gefolgt von seinem Hund. Als er auf sie zukam, neigte er den Kopf. »Emma Temple«, sagte er und streckte ihr die Hand entgegen. Seine Haut fühlte sich warm an.
» Buenos … Hallo, Señor de Santangel«, sagte sie unsicher.
»Luca, bitte. Duzen wir uns doch.« Er führte sie zur Finca.
»Danke für die Einladung.« Emma lächelte und hüllte sich fester in ihren weiten Mantel, während sie auf das Haus zugingen.
»Kalt?« Luca schlüpfte aus seiner Jacke und hängte sie ihr über die Schultern. Das Wildleder war noch warm von seiner Haut.
»Danke.« Emma atmete den sauberen, vertrauten Geruch von Acqua di Parma ein, betrachtete sein makelloses weißes Baumwollhemd, das in der hellen Reithose steckte. »Eine solche Ritterlichkeit bin ich nicht gewöhnt.«
»Wie gesagt, spanische Männer glauben immer noch an la caballerosidad .«
»Ist das etwas Gutes?«
»Keine Ahnung. Frag doch meine Schwester.« Er rief eine dunkle, schlanke Frau, die vor dem Haupteingang der Finca neben einem Seat stand, auf der Hüfte ein kleines Mädchen. Emma bewunderte die dezente Eleganz der Frau, ihre gut geschnittenen Marlene-Hosen aus leichter Wolle und die Wickeljacke aus Kaschmir. Ihre Haltung und ihre schwarzen Haare, die sie im Nacken zu einem Knoten gebunden hatte, erinnerten Emma an die Ballettlehrerin in ihrer Kindheit. »Hey! Paloma! Findest du, spanische Männer sind altmodisch?«
»Was glaubst du, warum ich einen Franzosen geheiratet habe?«, sagte sie.
»Paloma, das ist Emma – Fidel hat sie uns vorbeigeschickt.« Er küsste sie auf beide Wangen, und sie wiederum küsste Emma.
»Hallo«, sagte Emma und nahm die ausgestreckte, rundliche Hand des kleinen Mädchens zwischen die Fingerspitzen. Die Kleine hatte die Chanel-Sonnenbrille ihrer Mutter in der anderen Hand und kaute zufrieden auf dem Gestell herum.
»Bist du Engländerin?«, fragte Paloma.
»Ja. Nun ja, ich bin in Großbritannien aufgewachsen, aber ich wurde in Amerika geboren. Meine Mutter war damals so eine Art Hippie – Haight-Ashbury, Woodstock.« Emma merkte, wie Luca sie betrachtete. »Ich habe in London gewohnt … bis vor Kurzem. Ich weiß eigentlich gar nicht genau, wo ich herkomme.« Sie hatte das Gefühl, zu viel zu reden. »Warte, ich helfe«, sagte sie und nahm ein paar der Carrefour-Tüten aus dem Kofferraum.
»Vielen Dank. Komm rein, es ist eiskalt.« Paloma führte sie zur Küche, während Luca zu den Ställen ging. »Bist du nur zu Besuch hier?« Der warme Duft des Holzfeuers begrüßte sie.
»Nein, ich bin gerade hierhergezogen und richte die alte Villa del Valle wieder her.« Emma zögerte, als sie Lucas Mutter am Küchentisch sah, die mit einem funkelnden Messer Serranoschinken abschnitt.
»Wirklich? Dort hat seit Jahren niemand mehr gewohnt.« Paloma stellte ihre Einkäufe auf die Theke und setzte das kleine Mädchen in seinen Hochstuhl. »Mamá, kennst du Emma schon?«
»Ja, wir sind uns auf dem Weg begegnet«, sagte Emma, als die Frau den Kopf hob.
»Meine Mutter Dolores«, sagte Paloma mit einem leicht entschuldigenden Unterton.
»Ich möchte zu gerne etwas über die Geschichte des Hauses herausfinden.« Emma lächelte hoffnungsvoll. »Kannten Sie die del Valles?«
»Ich? Nein. Ich bin zu jung. Fragen Sie meine Mutter.« Sie ging hinaus und wischte sich die Hände an einem roten Baumwolltuch ab.
Luca sah kurz zu seiner Mutter, als er in die Küche kam. »Tut mir leid, ich wollte noch Sasha versorgen – meinen Hund.«
»Er ist hübsch«, sagte Emma. »Zuerst dachte ich, es wäre ein Wolf.«
»Hier.« Luca dirigierte sie zum Feuer. »Wärm dich auf. So kalt! Nicht zu fassen. Hat dir jemand etwas zu trinken angeboten? Oder zu essen?« Der Duft von gebratenem Huhn mit Zitrone und Thymian ließ Emmas Magen hungrig knurren.
»Danke, nein, ich brauche nichts, wirklich …«
»Unsinn! Paloma, wer kommt zum Mittagessen?« Im Nebenraum unterhielten sich Erwachsene, Kinder rannten lachend herum.
»So wie immer. Olivier kommt vorbei, wenn er mit der Vorlesung fertig ist.«
»Mein Schwager, der Professor.« Er beugte sich zu Emma hinüber, als er ein Holzscheit ins Feuer warf, und sagte leise:
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