Das Haus der Tänzerin
vertrieben?«, sagte Freya.
»Oder Schlimmeres«, murmelte Rosa. »Ignacios Familie hat überlebt, weil sie ihre Arbeiter gut behandeln. Du solltest ihn heiraten, Macu. Das kann ich dir sagen, ohne die Karten auch nur anzuschauen.«
»Aber was ist, wenn … es nicht zündet!« Macu tat so, als würde ein Feuerwerk explodieren.
»Sieh dir doch die alten Ehepaare im Dorf an«, erwiderte Rosa und klopfte die Karten in Form. »Glaubst du, bei denen zündet es noch? Was glaubst du, wie lange das anhält?«
Freya dachte an Tom. Ein ganzes Leben.
»Das geht vorbei, glaub mir. Freundlichkeit ist das, was bleibt.« Rosa teilte die Karten aus.
Freya sah fasziniert zu, wie Rosa die eselsohrigen Karten mit den seltsamen Bildern gitterförmig auslegte. Die Liebenden , dachte sie »Würdest du mir auch einmal die Karten legen?«, fragte sie Rosa. »Bei mir steht auch eine wichtige Entscheidung an.« Die Kirchenglocke begann zu läuten, und sie sah auf die Uhr. »Verdammt, der Bus. Ich komme zu spät zu meiner Schicht.« Sie legte Rosa den Arm um ihre knochigen Schultern und küsste sie auf den Kopf. »Warte nicht auf mich.«
»Pass auf dich auf.« Rosa blickte zu ihr auf. »Heute Abend kommen die Flugzeuge wieder. Ach, übrigens, heute hat dich jemand im Krankenhaus gesucht – eine junge Fotografin. Sie meinte, sie sei eine Freundin deines Bruders? Gerda irgendwie?«
»Ich kenne sie nicht.« Freya zog sich den Regenmantel an.
»Sie war hier, um Bilder von der Volksarmee zu machen.« Rosa runzelte die Stirn, als ihr Blick im Lampenschein die ausgelegten Karten streifte. »Sie hat mir ein paar ihrer Bilder gezeigt. Es hat mich an Madrid erinnert, die Fotos von den Kindern auf den Barrikaden.«
»Es ist doch besser, dass sie die Kinder jetzt evakuiert haben, oder?«
Rosa zuckte die Schultern. »Ich habe gehört, sie schicken jetzt auch die baskischen Kinder weg.« Sie rieb sich mit dem Daumen über die Unterlippe. Etwas an den Karten beunruhigte sie. »Jedenfalls sagt diese Gerda, dass sie ein paar Tage hier sein wird, bevor sie sich mit ihrem Partner trifft, Robert Irgendwie.«
»Capa?«, sagte Freya. »Er hat dieses fantastische Foto von dem fallenden Soldaten geschossen. Wenn Charles ihn kennt, muss er gut sein.«
Freya arbeitete die Nacht durch. Ständig wurden Patienten, die bei den Bombardements verwundet worden waren, hereingebracht. Früh am nächsten Morgen ging sie hinauf zu den Krankensälen, um nach den Soldaten zu sehen, die sich nach ihrer Operation erholten. Die Wörter auf der Krankenkarte, die sie vor sich hatte, verschwammen ihr vor den Augen, und sie musste sich dazu zwingen, sich zu konzentrieren. »Jim Brown«, las sie laut und überflog die Notizen. »Verwundung am Brustkorb, Lähmung am linken Arm, möglicher Nervenschaden?«, hatte ein Arzt auf die Karte gekritzelt.
»So, Jim«, sagte sie. »Nun sehen wir mal, wie es Ihnen geht. Ich fühle Ihnen nur den Puls.« Jims Arm schoss hoch, und Freya sprang verblüfft zurück.
»Wie Sie geguckt haben!« Er lachte übermütig.
»Wie lange können Sie den Arm schon bewegen?«
»Vor ein paar Tagen hat es angefangen zu kribbeln. Ich habe trainiert. Ich wollte Sie überraschen.«
»Na, das ist Ihnen aber gelungen.« Sie lachte ebenfalls.
»Dieses Lachen hat mir gefehlt«, sagte jemand.
Freya wirbelte herum und sah Tom in der Tür stehen, die Kappe in der Hand. »Tom!« Sie rannte zu ihm, warf einen kurzen Blick zurück zur Oberschwester und zog ihn in die Schwesternstation. »Was für eine schöne Überraschung.«
Er umarmte sie und hob sie hoch, als er sie küsste, sodass ihre Füße über dem Boden tanzten. »Gott, wie hab ich dich vermisst.« Er vergrub das Gesicht in ihren Haaren und atmete ihren Geruch ein. »Wie geht es dir?«
»Du weißt doch, wie es ist. Ich dachte, es wäre ruhiger hier, aber sie bombardieren die Stadt jede Nacht.«
»Ich habe dich in dem Haus gesucht, in dem du wohnst.« Er unterbrach sich. »Frey, ich hoffe, ich habe das Richtige getan. Das Mädchen, das dort wohnt …«
»Rosa?«
»Sie hatte ein Foto in der Küche. Ihr Mann und sein Bruder. Ich habe mich unterhalten, während sie Kaffee machte. Sie hat erzählt, der Bruder sei getötet worden. Jordi del Valle …« Tom runzelte die Stirn. »Ich habe ihr erzählt, dass ich jemanden behandelt habe, der so hieß, und das war ganz sicher nicht der Mann auf dem Foto.«
»Daher kannte ich den Namen!« Freya schlug sich mit der Hand auf die Stirn. »Die Transfusion. Wie hat
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