Das Haus der Tänzerin
ihr, und ihre Blicke trafen sich.
»Mir gefällt diese Musik«, sagte sie schnell.
»Er ist gut. Er hat duende .«
»Woher willst du wissen, dass da ein Mann spielt?«
»Alle großen Flamencogitarristen sind Männer.«
»Das ist unglaublich!«
»Es ist die Wahrheit. Es gibt großartige Tänzerinnen … aber die Männer machen die Musik.«
»Unsinn.«
Luca drehte sich ein wenig zu ihr und unterstrich seine Worte mit einer Geste. » Duende, das bedeutet … die dunklen Töne, eine ganz bestimmte Magie.«
»Leidenschaft?«
»Ja, aber mehr als das … wie ein Geist.«
»Auch Frauen können leidenschaftlich sein.«
»Natürlich, aber das ist etwas anderes. Lorca hat gesagt, duende, das ist wie Wurzeln …« Er modellierte die Luft mit gespreizten Fingern. »Wurzeln, die in die Erde wachsen. Er sagte, wir spüren es hier.« Er fasste sich ans Herz. »Wir spüren duende . In der Musik fühlen wir die Berührung der Erde und die Geister derer, die vor uns gelebt haben.«
Sie schwiegen wieder. Keiner verspürte die Notwendigkeit, zu sprechen. Luca dachte an den Moment, als er Emma in der Kathedrale zum ersten Mal gesehen hatte. Er hatte eine Verbindung zwischen ihnen gespürt. Er hatte viele Augenblicke in seinem Leben vergessen, aber an diesen würde er sich immer erinnern, das wusste er. Die Zeit hatte einen Moment ausgesetzt. Jetzt blickte er verstohlen hinüber zu ihr. Sie strahlte eine Wärme aus, die er unwiderstehlich fand. Aber nun wusste er, dass sie ein Kind bekam, und das machte alles schwierig. Ihr Satz Ich will diese ganzen … Komplikationen loswerden fiel ihm wieder ein. Er spürte die Anziehung zwischen ihnen, aber nun kannte er den Grund für ihre Zurückhaltung.
»Es tut mir leid wegen meiner Mutter«, sagte er und wies auf Emmas Bauch. »Ich glaube, sie dachte, sie würde schon wieder Großmutter.«
»Warum? Hast du hier in der Gegend so viele Kinder gezeugt?«
Luca sah sie an und lächelte. »Nicht dass ich wüsste. Ich meinte Palomas Kinder. Mamá hatte alle Hände voll zu tun, um ihr zu helfen.« Er hielt vor der Villa del Valle. »So, hier sind wir.« Er sprang hinaus, ging um das Auto herum und öffnete ihr die Tür.
»Danke«, sagte sie, als er ihr beim Aussteigen half. Sie strich sich die Haare aus den Augen.
»Eines Tages wird das schön hier«, sagte er. »Das Haus mochte ich schon immer.«
»Ja, ganz bestimmt.« Emma blickte zu ihm auf. »Vielen Dank. Ich freue mich auf die Geschäfte mit dir, Luca.«
»Es ist mir ein Vergnügen.« Lachfältchen zogen sich um seine Augen. »Ich spreche mit ein paar Freunden. Ich glaube, wir können dir mit allem helfen, was du brauchst.«
Emma lehnte sich an das Tor und sah den Rücklichtern seines Autos nach. Unter den Straßenlaternen spazierten Leute vorbei, schlanke Teenager mit karamellfarbener Haut fuhren auf Mopeds vorbei, ihre glänzenden Haare wehten hinter ihnen her wie Fahnen. Als Lucas Auto verschwunden war, fühlte sie sich plötzlich sehr allein. Das Baby streckte sich, sie zuckte zusammen und rieb sich den Bauch. Einsam , dachte sie, nicht allein. Sie wandte sich zum Haus. »Komm schon, mein Kleines«, sagte sie laut zu ihrem Kind. »Lass uns ins Bett gehen.«
25
Valencia, Mai 1937
Als die Nacht anbrach, zündete Rosa die Laterne über dem Tisch an. Ein Frühlingssturm rüttelte an den Küchenfenstern, und eine schwarze Katze verschwand schleichend in dem dunklen Gang. Rosa setzte sich an den Tisch und mischte die Karten. Das goldene Medaillon, das sie um den Hals trug, schimmerte im Licht der Lampe. »Ich weiß nicht, ob ich das kann. Seit ich schwanger bin, sehe ich nicht mehr so klar.«
»Bei Jordi hast du aber immer noch nichts gespürt?«, fragte Freya.
»Nein. Ich sehe nichts. Es ist alles meine Schuld. Er ist in den Krieg gezogen, um ein Held zu sein, um zu beweisen, dass er ein besserer Mann ist als sein Bruder. Was er sowieso hundertmal ist.« Sie blickte auf die Karten. »Hätte ich ihn nur hier bei mir behalten.«
»Jordi hat das Richtige getan.« Macu klopfte auf den Tisch. »Da wir gerade davon reden, ich möchte wissen, ob ich den Heiratsantrag von Ignacio de Santangel annehmen soll.«
»Er ist ein guter Mann, auch wenn er wohlhabend ist.« Rosa teilte das Kartenspiel ein letztes Mal.
»Ignacios Mutter findet, ich bin nicht gut genug für ihn«, sagte Macu zu Freya. »Aber er bietet ihr die Stirn.«
»Ich dachte, die Republikaner hätten zu Beginn des Krieges die meisten Landbesitzer aus ihren Häusern
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