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Das Haus der Tibeterin

Titel: Das Haus der Tibeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica Cesco
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ziemlich laut auf den Tisch.
    »Eigentlich starb er an gebrochenem Herzen. An Depression, wie wir heute sagen würden.«
    Ich holte die Teller aus dem Küchenschrank. Mutter füllte zwei Gläser mit Buttertee, der bei ihr wunderbar nach Karamell schmeckte.
    »Er war ein hoher Beamter, ein Gelehrter. Und musste in der Schweiz am Fließband arbeiten, in einer Kartonagenfabrik im Tösstal. Mit Leuten, die nicht einmal einen Schulabschluss hatten. Erst später wurde sein Können geschätzt. Ein Kunsthistoriker vom Rietberg-Museum stellte ihn als Berater an. Er übersetzte und kopierte alte tibetische Schriften. Das hat ihm viel Freude gemacht. Aber die Krankheit war schon zu weit fortgeschritten. Er hatte nicht mehr die Kraft, ein neues Leben zu beginnen.«
    »Ich entsinne mich kaum noch an ihn.«
    »Das ist sehr schade«, erwiderte Sonam.
    Auf ihrem Gesicht machte sich stets Melancholie breit, wenn sie von ihm sprach, weil der nicht mehr Existente nur in ihrer eigenen Vorstellungswelt noch lebendig war. Sie musste ihn sehr geliebt haben. Und wenn ich an ihn dachte, liebte ich ihn auch. Wir leben in einer Art von Netz, einem System von Beziehungen. Was immer wir erleben und fühlen, wir erleben es durch andere. In diesem Haus erlebte und spürte ich die
Dinge durch das, was meine Eltern verband. Ich fühlte mich einbezogen, behütet.
    »Wie geht es dir in der Firma?«, fragte die Amla.
    Das interessierte sie immer. Ich erzählte ein bisschen, während wir die Suppe löffelten. Sonam würzte sie nicht sehr stark, weil sie wusste, dass ich das nicht mochte.
    »Und wie geht es dir?«, fragte ich.
    »Mir geht es wie immer.«
    Ich holte tief Luft.
    »Amla, ich habe mit Onkel Kelsang gesprochen.«
    Sie wechselte mit unbewegtem Gesicht die Teller aus und brachte dann das Brathuhn, das sie mit gekonnten Schnitten zerteilte.
    »Probier auch mal die Steckrüben.«
    Ich legte Messer und Gabel auf den Tisch.
    »Nein, Amla, mit Steckrüben köderst du mich nicht. Ich … ich muss dich etwas über die Familie fragen.«
    Sie entspannte sich ein wenig, sah mich abwartend an. Die Familie, das war ein Thema, über das sie reden konnte.
    »Warum hast du eigentlich keinen Kontakt mehr zu deiner Schwester?«
    »Zu Lhamo? Hat Kelsang etwas über sie gesagt? Sie lebt nach wie vor in Lhasa, das weißt du doch.«
    »Warum schreibst du ihr eigentlich nie?«
    »Was soll ich ihr denn schreiben?«
    »Warum kommt sie nie in die Schweiz?«
    Sie schob mir ein Stück Huhn auf den Teller, fügte Gemüse und Kartoffeln hinzu.
    »Lhamo blieb immer für sich. Und sie reist sehr ungern. Sie war zwei- oder dreimal in China, das ist alles. Ihr Mann war ja Chinese.«
    »Könnte ich sie mal besuchen?«
    Sie zögerte, blickte mir ins Gesicht.
    »Sie würde sich kaum Zeit für dich nehmen.«

    »Ach, ist sie so beschäftigt?«
    »Das wohl nicht. Aber sie hatte nie viel für die Familie übrig. Dass ihr Mann Chinese war, hat wohl zu der Entfremdung beigetragen. Da, nimm Kartoffeln!«
    Sonam wusste, wann eine Geschichte vergessen werden konnte und wann sie den Beteiligten wieder zu Ohren kam. Sie wollte mich auch nicht zu falschen Kombinationen reizen und mir keine falschen Verdachtsmomente nahelegen. Folglich zeigte ich ein Lächeln aus geheucheltem Verständnis, wobei ich mich vorwärts tastete, behutsam wie auf Glatteis.
    »Schade eigentlich. Ich würde sie gern kennenlernen.«
    »Wozu?«, entgegnete sie trocken. »Wie schmeckt dir übrigens mein Huhn?«
    An dieser Stelle schien es mir angebracht, etwas Munition zu verpulvern.
    »Das Huhn ist ausgezeichnet und steht nicht zur Debatte. Aber wenn du mir nichts erzählen willst, werde ich dich bald nichts mehr fragen. Und die Sache mit Felix, gib es doch endlich zu, die war wirklich nicht fair.«
    Sie fuhr leicht zusammen.
    »Welche Sache mit Felix? Ich kann dir nicht folgen.«
    Ich hatte es allmählich satt.
    »Du hast Felix buchstäblich aus meinem Leben geekelt.«
    Wie unbeholfen das klang - aber wie anders sollte ich diese Sache ausdrücken? Es war ein Stein in mir selbst, ein ganz dicker sogar, den ich auf die Seite räumen musste.
    Sie führte ihren Bissen nicht zum Mund. Ihr Besteck klirrte leise, als sie es auf den Tellerrand legte. Danach kurze Stille, bis sie unvermittelt sagte: »Ich hätte es vielleicht nicht tun sollen. Es tut mir leid.«
    Meine Mutter und ein Zugeständnis. Ich konnte es fast nicht glauben. Ich holte tief Luft und erwiderte: »Können wir uns mal darüber unterhalten?«

    Sie

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