Das Haus der toten Mädchen
etwas kräftigere Frauen mag, dachte sie. Sie war nie der dürre Model-Typ gewesen, und all die Muffins und Pfirsichkuchenstücke hatten ihren Kurven keinen merklichen Schaden zugefügt. Sie musste nur noch jemanden finden, vor dem sie sich gerne auszog, und alles würde gut. Dummerweise war der einzige Mensch, vor dem sie sich entkleiden wollte, John Smith.
Sie fand sich eigentlich ganz hübsch, wenn auch recht unscheinbar. Blaue Augen erschienen ihr langweilig, aber immerhin waren ihre ziemlich groß. Andererseits war auch ihr Mund zu groß geraten, und ihre vollen Lippen gefielen ihr ebenfalls nicht. Die Nase und die Haut waren in Ordnung, außer dem Knutschfleck an der Seite ihres Halses. Das hat er wahrscheinlich mit Absicht getan, überlegte sie finster. Er hatte sie gezeichnet, damit auch ja jeder mitbekam, was sie in ihrer Freizeit so trieb. Dieses Schwein.
Sie hätte Mr. King dafür danken sollen, dass er sich heute früh um ihr Auto gekümmert hatte, aber der Mann war ihr unangenehm. Sie sollte ihm vielleicht anbieten, seinen Zeitaufwand zu vergüten, aber wahrscheinlich lag sie damit wieder daneben. Sie neigte noch immer dazu, Hilfestellungen bezahlen zu wollen, die hier als nachbarschaftliche Selbstverständlichkeit galten, und andererseits
kein
Geld anzubieten, wo die Leute welches erwarteten. Wahrscheinlich würde sie es irgendwann kapieren, aber bis dahin wäre es immer noch besser, Mr. King zu beleidigen, als ihm etwas vorzuenthalten.
Sie konnte ja zum Whitten-Cottage hinübergehen, auf der Veranda ein Kuvert für Zebulon King hinterlegen und sich aus dem Staub machen, bevor jemand sie bemerkte. Irgendjemand.
John Smith zum Beispiel. Verdammt, wem wollte sie etwas vormachen? Es gab nur einen einzigen Grund für sie, dorthin zu gehen: Sie hoffte, ihm in die Arme zu laufen, sie hoffte, dass er Hand an sie legte und ihr den letzten Rest Verstand raubte.
Sie wäre ja verrückt, dorthin zu gehen, so verrückt wie ihre Mutter. Für ein derartiges Spiel mit dem Feuer war sie doch viel zu besonnen. Und trotzdem würde sie gehen …
Sie zog unscheinbare Sachen über ihre unanständige Wäsche und versuchte, ein Buch zu lesen, um auf andere Gedanken zu kommen, aber das Gefühl der Wäsche lenkte sie ab: Warum, um alles in der Welt, trugen Frauen überhaupt solches Zeug auf dem Leib? Sie bevorzugte schlichte, weiße Baumwollwäsche, die sie getrost ignorieren konnte. Sie versuchte, sich auf das Buch zu konzentrieren, aber ständig musste sie daran denken, wie die BHKörbchen ihre Brüste formten. Zum Teufel damit!
Sie sollte diese Sachen ausziehen und in ihr Nachthemd schlüpfen. Und sich dann aufs Bett legen und auf den Schlaf warten, Stunde um Stunde.
Nein, das kam nicht in Frage. Also saß sie in ihrem Schlafzimmer und versuchte zu lesen. Vielleicht sollte sie einfach zum Whitten-Cottage hinübergehen und sich mit John Smith aussprechen. Sie musste ihm klar machen, dass sie nicht an ihm interessiert war, dass seine Hände und sein Mund und all seine anderen verführerischen Körperteile sie absolut kalt ließen. Sie wollte ihr altes Leben zurück.
So leise wie möglich glitt sie durch die Haustür in die warme Nacht hinaus. Hinter dem Schlafzimmerfenster ihrer Mutter sah sie Doc an Grace’ Bett sitzen; offenbar las er ihr etwas vor. Das Buch schien die Bibel zu sein, und Sophie musste ein Kichern unterdrücken. Grace hatte nie viel auf die Kirche gegeben, aber im Augenblick hatte sie keine Wahl als zuzuhören, wenn sie weiter von Docs beruhigender Anwesenheit profitieren wollte.
Sophies dünne Schuhe glitten lautlos über das Gras. Sie musste von allen guten Geistern verlassen sein, in einer solchen Nacht auszubüxen, um sich ihrem Gegner zu stellen. Aber sie konnte nicht länger herumsitzen und die Hände in den Schoß legen. Sie musste herausfinden, wer und was genau er war und was ihn nach Colby, Vermont, verschlagen hatte. Weitere Ausflüchte würde sie nicht zulassen, denn sie wusste, dass der Grund irgendetwas mit den alten Morden zu tun hatte.
Er hatte es nicht nötig, sie von der Straße abzudrängen: Docs Vermutung war völlig absurd. Wenn er ihr etwas hätte antun wollen, hätte er reichlich Gelegenheit dazu gehabt. Außerdem hatte er überhaupt kein Motiv, ihr Schaden zuzufügen.
Sie würde zum Whitten-Haus hinuntergehen, sich ihre Fragen beantworten lassen und dann zurückkehren, um Doc aufzuklären, dass es keinen Grund zur Sorge gab. John Smith – oder wie auch immer er wirklich
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