Das Haus der toten Mädchen
Herz zerreißen, wenn sich die Geschichte wiederholt.“
Sophie unterdrückte ihre aufkeimende Panik. „Marty wird nichts geschehen!“ erwiderte sie bestimmt. „Sie passt in letzter Zeit erstaunlich gut auf sich auf. Grace bereitet mir viel mehr Kopfzerbrechen.“
„Um Grace müssen Sie sich am wenigsten sorgen. Er bringt nur junge Mädchen um, das wissen Sie doch. Keine älteren Frauen. Alle drei Opfer waren etwas leichtlebige junge Damen, nicht älter als Ihre Schwester. Ich will auf keinen Fall, dass das noch einmal geschieht.“
Sophie stellte ihren leeren Becher auf den Verandaboden. „Doc, der Killer lebt wahrscheinlich gar nicht mehr. Er wird nicht nach zwanzig Jahren zurückkommen und weitermorden.“
Doc schaute sie an. „Was macht Sie da so sicher?“ fragte er mit leiser Stimme. „Vielleicht ist er nie weg gewesen. Passen Sie auf, Sophie. Sie und Marty.“
„Worum gehts?“ Marty tauchte in der Türöffnung auf und musterte die beiden skeptisch.
„Du bist früh auf den Beinen“, stellte Sophie fest, die gerne das Thema wechseln wollte.
„Och, ich habe Patrick versprochen, ihm beim Holzstapeln zu helfen“, antwortete sie betont gleichgültig. „Ein bisschen körperliche Arbeit kann mir nicht schaden.“
Sophie verkniff sich die Bemerkung, dass man seine Muskeln auch prima beim Entrümpeln der Räumlichkeiten im alten Krankenhaustrakt trainieren konnte. Seit Patrick auf der Bildfläche erschienen war, hatte sich Martys Gemütslage erheblich verbessert, und Sophie wollte diesen Fortschritt nicht aufs Spiel setzen.
„Ich glaube, er ist hinterm Haus. Du kannst ihm Kaffee und ein paar Muffins bringen, wenn du möchtest.“
Marty starrte sie durch die Gittertür an. „Okay“, erwiderte sie und blinzelte. „Was, zum Teufel, hast du letzte Nacht getrieben?“
Sophie fasste sich nervös an die Stirn. „Ich habe mir den Kopf gestoßen, weiter nichts.“
„Das meine ich nicht. Ich will wissen, woher der riesige Knutschfleck an deinem Hals stammt. Was hast du getan, großes Schwesterlein? Du hast dich in sechzig Sekunden von der alten Jungfer zur wilden Braut gemausert.“
„Marty …“ Sophie warf einen Seitenblick auf Doc, aber der schüttelte nur den Kopf und zwinkerte.
„Machen Sie sich keine Sorgen um mich, Sophie“, sagte er. „Ich verstehe das Wesen der Menschen besser als die meisten, und ich weiß, wie leicht gesunde junge Menschen der Versuchung nachgeben. Aber das heißt nicht, dass ich jetzt beruhigt wäre. Sie sollten nicht so vertrauensselig sein.“
„Das bin ich nicht!“
„Halten Sie sich von Ihrem Nachbarn fern. Ich kann mir vorstellen, wie schwer Ihnen das fällt, aber ich misstraue ihm. Geben Sie mir wenigstens Gelegenheit, ein paar Nachforschungen über ihn anzustellen, bevor Sie noch einmal Zeit mit ihm allein verbringen. Versprechen Sie mir das, Sophie?“
„Doc, es gibt keinen Grund, sich Sorgen zu machen“, wehrte sie ab. „Ich kenne den Mann kaum, aber ich bin mir sicher, dass mit ihm alles in Ordnung ist.“
„Wenn Sie den Mann kaum kennen, woher haben Sie dann diesen Fleck in Ihrem Nacken?“ fragte er mit fast traurigem Tonfall. „Versichern Sie mir wenigstens, dass Sie gut sich aufpassen werden.“
„Natürlich.“
Doc nickte, obwohl er eindeutig nicht zufrieden gestellt war. „King hat Ihr Auto in Ferbers Werkstatt geschleppt. Sie wissen noch nicht, wann es fertig sein wird. Ein Reifen ist hinüber, und es könnte sein, dass sich das Fahrgestell verzogen hat.“
„Großartig“, murmelte Sophie.
„Kein Grund zur Beunruhigung. Wenn Sie irgendwohin wollen, rufen Sie mich einfach an.“
„Kein Problem, Doc“, sagte sie – und wünschte sich, sie wäre sich da wirklich so sicher.
„Der alte Doc Henley ist mir unheimlich“, meinte Marty, als Patrick endlich erklärte, dass sie sich eine Pause verdient hätten. Sie war schmutzig, verschwitzt und von der Borke der Äste und Stämme ganz zerkratzt, alles tat ihr weh, aber sie fühlte sich irgendwie gut. Vielleicht war an der Sache mit der Körperertüchtigung wirklich etwas dran. Sie hätte eine Betätigung mit mehr Körperkontakt vorgezogen, aber Holzstapeln war eine erstaunlich angenehme Alternative.
Sie hätte ahnen sollen, dass Patrick wirklich nur auf ihre Hilfe aus war. Bei jedem anderen wäre das einfach eine kaschierte Einladung zu einer Nummer gewesen, aber Patrick Laflamme musste man beim Wort nehmen.
Er hatte im hellen, kühlen Sonnenlicht das Hemd ausgezogen, aber als
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