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Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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müssen, damit sie den schweren Busen und die fleckigen Arme auf der Tischplatte ablegen kann.
    »Ich glaube, ich bin so gut wie entlassen. Die Herrin legt gerade beim Pfarrer ein gutes Wort für mich ein, aber ich bezweifle, dass er auf sie hören wird«, erklärt Cat. Die Haushälterin gafft sie mit offenem Mund an.
    »Aber warum denn, um Himmels willen? Was hast du wieder angestellt, du kleines Luder?«
    »Ich gehe nachts aus. Ich schlafe nicht. Ich gehe nach Thatcham und anderswo hin. Und dabei hat er mich jetzt erwischt. Also bin ich entlassen.« Sie zuckt mit den Schultern, als sei die Zukunft nicht plötzlich ein gestaltloses Ding, ungeformt, bedrohlich und leer. Entlassene Dienstboten bekommen kein Empfehlungsschreiben. Sie wird keine Anstellung mehr finden, denn dies war ihre letzte Chance.
    »Cat Morley … Cat Morley …« Mrs. Bell spricht ihren Namen aus wie einen Fluch, den man in größter Fassungslosigkeit, in höchster Not ausstößt. Ihre schmalen Augen sind weiter aufgerissen, als Cat es je zuvor gesehen hat. »Wie konntest du so dumm sein? Wo du doch so klug bist?«, fragt sie. Das ist so weit entfernt von der höhnischen Verachtung, die Cat erwartet hat, dass sie zunächst nicht weiß, was sie darauf antworten soll.
    »Ich … ich liebe einen Mann«, sagt sie schließlich und hält inne, weil der Pickel im Salz feststeckt. Sie hat zu fest zugestoßen, ihn zu tief hineingetrieben. Mrs. Bell schüttelt den Kopf.
    »Einen Mann? Wozu sind die schon gut? Hier hattest du doch alles!« Stumm kämpft Cat mit dem Salzpickel. Fliegen kreisen in der stickigen Küche, und Mrs. Bell scheint es ausnahmsweise einmal die Sprache verschlagen zu haben.
    »Was alles? Wirklich? Was habe ich hier schon außer Tag für Tag dasselbe, als sei ich gar kein Mensch, sondern eine Maschine? Und dann muss ich mir sagen lassen, das sei meine Bestimmung und ich solle mich damit glücklich schätzen, während andere Leute den lieben langen Tag herumliegen oder Blumen pressen können!«, ruft sie aus, und ihre Stimme zittert verräterisch.
    »Was alles? Ein Bett! In einem sauberen, warmen Haus. Drei Mahlzeiten am Tag und deinen Lohn! Herrschaften, die dich nicht schlagen, sondern sogar dein freches Mundwerk dulden, wenn es wieder einmal mit dir durchgeht! Das alles!«, erwidert Mrs. Bell. »Ist das nicht genug für dich, wenn Tausende andere sich nur wünschen können, sie hätten es so gut wie du?«
    »Nein«, erwidert Cat ernst. »Das ist nicht genug. Ich kann es nicht aushalten. Ich kann nicht.« Sie wartet wachsam ab, doch die Haushälterin schaut nur starr geradeaus und dann hinab auf ihre rissigen, ruinierten Hände, ohne ein Wort zu sagen. Cat holt tief Luft. »Falls ich heute Abend nicht mehr hier sein sollte, wollte ich Ihnen noch sagen, dass mir das mit Ihrem kleinen Jungen sehr leidtut. Dass Sie ihn verloren haben, meine ich. Und Ihren Mann. Es tut mir leid, wenn ich Sie manchmal dafür verachtet habe, dass Sie eine gute Hausangestellte sind. Sie sind genau so, wie Sie sein sollten. Ich bin diejenige, die nicht dazu taugt und hier nichts verloren hat, wie Sie mir von Anfang an gesagt haben.«
    »Spiel mir nicht die Zerknirschte, Mädchen. Das passt nicht zu dir«, erwidert Sophie Bell, doch die gewohnte Schärfe in ihrer Stimme fehlt, die Peitsche knallt nicht, sondern schleppt sich matt wie Sophies Blick durch den Raum, nur noch ein loser Faden an einem Saum.
    Eine knappe Viertelstunde später kommt Robin wieder aus Alberts Arbeitszimmer. Hester hört von ihrem Zimmer aus, wie sich die Tür öffnet und dann mit einem dumpfen, resoluten Laut wieder schließt. Während der Theosoph bei Albert war, drangen die Stimmen der Männer gedämpft zu ihr herauf. Hauptsächlich Robins, soweit sie hören konnte, und ein paar zögerliche, kaum vernehmbare Worte von Albert, immer wieder unterbrochen von spannungsgeladenen Pausen. Sogar durch den Fußboden hindurch konnte sie seine Verunsicherung spüren. Und doch – als sie die Schritte des Theosophen erst im Wohnzimmer und dann unten im Flur am Fuß der Treppe hört, weiß sie, dass er seinen Willen durchgesetzt hat. Denn was immer Robin wünscht, ist jetzt auch Alberts Wille. Hester sitzt an ihrem Toilettentisch, und ihre Hand mit der Puderquaste verharrt vor ihrer Wange. Sie wollte gerade den Schaden beheben, den ihre Tränen angerichtet haben, begegnete aber im Spiegel ihrem eigenen Blick und musste innehalten. Ihre Augen sind geschwollen, die Wangen darunter so hohl wie noch

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