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Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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nicht«, antwortet er wenig überzeugend. Hester starrt ihn an, und ihre Augen weiten sich. »Das heißt, ich habe ein-, zweimal gesehen, wie sie abends das Haus verließ. Um spazieren zu gehen, habe ich angenommen.«
    »Ich verstehe. Aber es ist Ihnen nicht in den Sinn gekommen, diese Beobachtung Albert oder mir gegenüber zu erwähnen?«
    »Ich bitte um Verzeihung, Mrs. Canning. Ich dachte nicht, dass es böse Folgen haben könnte«, erwidert Robin glatt, und jegliches Gefühl ist aus Gesicht und Stimme verschwunden, sorgsam verborgen hinter einer neutralen Maske.
    »Nun, es hat böse Folgen, Mr. Durrant. Und ich frage mich, ob Sie wirklich nicht mehr darüber wussten. Ich frage mich beispielsweise auch, ob Sie nicht eine Ahnung haben, wer Cats Verehrer sein könnte?«, fährt Hester leise fort, denn ihre Stimme bebt vor Nervosität. Robin Durrant beobachtet sie, und ein neuer Ausdruck tritt auf sein Gesicht – leichte Überraschung, beinahe Belustigung. Dann Begreifen. Hester senkt den Blick auf ihre Hände, denn seine Augen schauen sie auf einmal allzu vertraulich an und scheinen sie zu verspotten.
    »Hester, wie kommt es, dass Ihre Meinung von mir sich in letzter Zeit so stark verändert hat, dass Sie mir sogar Lügen unterstellen?«, fragt er mit einem Hauch sanfter Drohung in der Stimme.
    Hester spielt mit ihrem Taschentuch, zupft daran herum und dreht es in ihren Händen. »Ich habe gesehen, wie Sie sich mehrmals mit Cat unterhalten haben. Abends«, stammelt sie.
    »Was ist denn schon dabei? Sie wollen doch gewiss nicht andeuten, ich sei der geheimnisvolle Liebhaber? Ein paar höfliche Worte zwischen Hausgast und Dienstmädchen bei einer abendlichen Zigarette, und Sie schließen daraus gleich auf eine Affäre?«
    »Ich habe etwas anderes gesehen. Das war nicht … höflich«, flüstert Hester. Robin Durrant geht mit langsamen, bedächtigen Schritten auf sie zu, und Hester kämpft gegen den Drang an zurückzuweichen.
    »Sie haben sich getäuscht, das versichere ich Ihnen. Da ist nichts, aber auch gar nichts, zwischen mir und Ihrem Dienstmädchen«, sagt er und bleibt so dicht vor ihr stehen, dass sie seine Körperwärme spüren kann und der Hauch seines Atems sie streift. Sie wendet das Gesicht ab und erträgt das Schweigen mit rasendem Herzen so lange, bis sie glaubt, schreien zu müssen. »Aber wenn Sie möchten, dass ich bei Ihrem Mann ein gutes Wort für das Mädchen einlege, bin ich natürlich gern dazu bereit. Vielleicht kann ich ihn überreden, sie bleiben zu lassen, wenn das Ihr Wunsch ist?«, raunt Robin. Er ist jetzt so nahe, dass sie hören kann, wie jeder seiner Atemzüge sacht durch seine geöffneten Lippen in seinen Mund strömt, über die Zähne, die Zunge hinweg. Wieder steigen ihr Tränen in die Augen und laufen dann unfein über ihre Wangen. Ohne zu zögern streckt der Theosoph die Finger aus und wischt sie weg. Hester steht da wie angewurzelt, zu schockiert, um sich zu rühren.
    »Ich verstehe nicht, welche Macht Sie über meinen Mann besitzen«, sagt sie, und ihre Stimme klingt so erstickt, dass sie ihr selbst ganz fremd vorkommt.
    »Nicht? Nein, wie denn auch. Unbefleckt, wie Sie sind. Virgo intacta , eine Lilie weißer als weiß, so gütig und rein und unschuldig«, sagt er, und seine Lippen verziehen sich zu einem Ausdruck grausamer Belustigung. Hester bleibt vor blankem Entsetzen der Mund offen stehen.
    »Woher wissen Sie …?«, flüstert sie unwillkürlich.
    »Albert hat es mir erzählt. Er hat es erwähnt, als er mir von seiner Reinheit vorgeschwärmt hat. Und er kann wohl kaum mit seiner eigenen Jungfräulichkeit prahlen, ohne damit gleichzeitig bekannt zu geben, dass Sie noch ebenso unberührt sind, nicht wahr?«, fragt Robin mit wölfischem Grinsen.
    Hester schließt mit flammenden Wangen die Augen. In der Dunkelheit hinter ihren Lidern scheint sich der Raum zu drehen, so wie auch ihre Gedanken herumwirbeln.
    »Sie sollten dieses Haus verlassen. Weggehen und nie wiederkommen!«, sagt sie.
    »Hester, Hester. Sie und ich brauchen einander keinen Kummer zu bereiten«, erwidert Robin gelassen. »Wir dürfen einander keinen Kummer bereiten«, fügt er hinzu, sodass aus der Feststellung ein Befehl wird, eine Warnung. Die Hand, die ihre Tränen aufgefangen hat, hält inne, streicht zart über ihre Wange, an ihrem Kiefer entlang, vom Kinn bis zum Hals, weiter zum Schlüsselbein, bis die Berührung sie zu lähmen scheint und sie weder protestieren noch sich abwenden kann. »Liebe Hetty.

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